Wie Tau im Wuestensand
Der Kontrast zwischen
der steinigen Sandwüste und den Weiden und Kiefernwäldern des Tals erstaunte
sie stets aufs neue.
»Es hat sich kein bißchen
verändert«, sagte Holly träumerisch.
»Was hat
sich nicht verändert?«
»Die Berge. Und die Ranch ist sogar
noch schöner, als ich sie in Erinnerung hatte.«
Linc lächelte zufrieden, daß ihr
sein Zuhause gefiel. Er hatte fast befürchtet, daß die Ranch nach sechs Jahren
in Manhattans neonglitzerndem Betondschungel etwas von ihrer Anziehungskraft
für Holly verloren haben könnte.
»Das Anwesen beansprucht viel Zeit
und kostet viel Geld«, sagte Linc.
»Es ist
jede Sekunde und jeden Pfennig wert.«
Die weiße Umzäunung und die Säulen
am Eingang waren so makellos wie die Wolken, die sich vor dem Gebirge auftürmten.
Prächtiges Grün überzog die bewässerten Weiden. Dort grasten schlanke,
elegante, lebendige Araberpferde, die nur so strotzten vor Gesundheit.
Auf beiden Seiten der Berge befanden
sich noch andere Pferderanches, denn das Tal war bekannt für seine sorgsam gezüchteten,
teuren Rassetiere.
Ein großer gelber Hund jagte aus der
Scheune hervor, blieb hechelnd neben Sand Dancer stehen und wedelte mit seinem
buschigen Schwanz zur Begrüßung. Linc hob sein rechtes Bein über den Hals des
Pferdes, glitt zu Boden und kraulte liebevoll seinen vierbeinigen Freund.
»Hallo, Freedom«, sagte er und
blickte sich um. »Hast du etwa Beth verloren?«
Holly landete neben Linc. Sowie sie
Boden unter den Füßen hatte, wurde sie von Freedom begeistert abgeleckt.
Linc hielt
weiter Ausschau nach seiner jungen Schwester. »Beth wird sich freuen, dich zu
sehen«, sagte er. »Sie hat dich fast so vermißt wie ich.«
»Mir fehlte
sie auch. Von all den Kindern, auf die ich aufgepaßt habe, war sie die
einzige, die ich hätte behalten wollen.« Linc drohte mit dem Finger.
»Gottlob hast du das nicht wahr
gemacht.« Er schluckte. »Mein Vater und meine Stiefmutter haben Beth immer das
Gefühl vermittelt, daß sie sie dem nächstbesten Menschen mitgeben würden, der
an der Tür klingelt.«
»Aber du
hättest es doch niemals zugelassen.«
»Das würde ich auch immer noch
nicht, obwohl sie mich wahnsinnig macht.«
»Beth?«
fragte Holly erstaunt.
»Jawohl,
sie!« Linc nickte zur Bekräftigung.
Er seufzte tief, gab dem Hund einen
Klaps und wandte sich zu ihr um.
»Beth ist jetzt in einem Alter, wo
sich all ihre Freunde in der Stadt herumtreiben«, erläuterte er.
»Sie würde viel lieber in unserem Haus in Palm Springs wohnen
als auf der Ranch.«
»Sicherlich ist es hier draußen
etwas einsam für sie.«
»Jetzt fang du nicht auch noch an«,
blaffte er.
Besorgt blickte Holly zu ihm auf.
Er verzog das Gesicht.
»Entschuldigung«, murmelte er. »Beth
und Frau Malley betonen ständig, wieviel schöner es
doch in der Stadt ist.«
»Hm«, sagte Holly. »Wenn du meinst.«
»Nicht ich meine das, sondern sie.«
»Dann schick sie doch für ein paar
Wochen hin.«
»Frau Malley hält Beth nicht kurz
genug an der Leine«, beschwerte Linc sich. »Und ich kann es
mir nicht leisten, wochenlang von der Ranch
fernzubleiben.«
»Früher hat Beth die Ranch auch
geliebt.«
»Damals hatte sie noch nicht die
Jungs entdeckt. Jetzt denkt sie nur noch daran, wie sie sich
anmalen soll und welchen Fummel sie kaufen will.«
Holly berührte Lincs Arm.
»He«, sagte sie lächelnd. »Das ist
doch mit fünfzehn ganz normal.«
»Du warst nicht so!«
Sie zuckte die Schultern und machte
eine abwehrende Handbewegung.
»Ich war fast ein Junge«, gab sie zu
bedenken.
»Nachdenklich schaute er sie an.
»Ist Beth denn gut in der Schule?«
fragte Holly.
»Sie hat fast nur Einser.«
»Benehmen sich ihre Freunde
irgendwie auffällig?«
»Ihre Freundinnen tragen zuviel
Farbe auf«, fand er, »aber unter dem ganzen Zeugs sind es sehr
nette Kinder.«
»Dann machst du dir vollkommen
unnötige Sorgen.«
»Das will ich hoffen!«
Linc fuhr sich mit einer
frustrierten, Holly allmählich vertrauten Geste durch die Haare. Dann zogen
sich seine Lippen zu einer unnachgiebigen Linie zusammen.
»Manchmal erinnert mich Beth so sehr
an ihre Mutter, daß ich es richtig mit der Angst zu tun bekomme«, vertraute er
Holly an. »Aber so wird Beth nicht enden, und wenn ich sie in ihrem Zimmer
einsperren und den Schlüssel verschlucken muß.«
Sie zuckte zusammen. Noch bevor sie
antworten konnte, sprang die Haustür auf, und ein Mädchen, fast so groß wie
Holly, rannte auf sie zu. Sie erkannte
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