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Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Titel: Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelle Sumners
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abgeschrieben?«, fragte ich als er mir die Tüte Popcorn reichte.
    »Aus Versehen. Wenn man sich im Klassenzimmer umsieht, kann man ja nicht verhindern, dass man dem Nebenmann aufs Blatt schaut.«
    Er marschierte weiter, und ich folgte langsam. Ich probierte das Popcorn. Es war viel zu süß. Ich knabberte ein bisschen davon und warf dann die Tüte unauffällig in einen Abfalleimer.
    Eine in den Hügel gebaute Treppe machte den gewundenen Auf- und Abstieg wunderbar einfach, sogar für eine überfällige Schwangere in Sommerkleidchen und leichten Turnschuhen.
    Oben auf der Treppe hörte ich das Wasser rauschen. Unser Wasser. Wir kamen auf der entgegengesetzten Seite der Stelle heraus, an der wir das letzte Mal verbotenerweise hinuntergeklettert waren, aber da war er, von dichter Vegetation umgeben. Er rauschte ohrenbetäubend und glitzerte im Junisonnenschein.
    Auf der anderen Seite sah ich unseren Felsen, den Felsen, auf dem ich gestanden hatte. Hier drüben konnte ich das Wasser nicht erreichen, mich aber dicht genug nähern, um den kühlen Sprühnebel zu spüren. Ich ließ ihn auf meine offenen Handflächen rieseln und schloss die Augen.
    Es war herrlich – die Sonnenhitze in meinem Gesicht, der Nebel, die Brise. Ich schwankte leicht und fühlte, wie Ty mich am Ellbogen stützte.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich.
    Er drückte sanft meinen Arm. »Ich weiß.«
    Irgendetwas streifte mein Gesicht und ich schlug die Augen auf. Eine blaue Libelle – hauchzart, träge, schillernd – schwebte nur wenige Zentimeter von mir entfernt in der Luft. Ich lachte und ein warmer Wasserschwall rauschte an meinen nackten Beinen herunter. Meine Schuhe wurden patschnass.
    »Hey«, sagte ich zu Ty. »Ich glaube, die Fruchtblase ist gerade geplatzt.«
    Noch nie hatte ich ihn so grimmig die Stirn runzeln sehen.
    »Wir haben Zeit genug! Ich hatte noch nicht eine Wehe, seitdem wir bei deinen Eltern losgefahren sind.«
    Dann hatte ich eine Wehe. Erheblich stärker als die, die ich seit letzter Nacht hatte. Ich griff Ty am Arm, überrascht und ein bisschen verängstigt. »Oh! Ohhhhh!«
    Er hielt mich fest. Als die Wehe vorüber war, sagte er: »Okay, lass uns gehen.«
    »Noch nicht.«
    »Grace!«
    »Wir haben noch viel Zeit. Ich möchte gerne noch ein bisschen hier bleiben. Haben wir eine Decke im Auto?«
    »Nein!«
    Er brachte mich durch den Park zurück zum Wagen. Dabei schimpfte er die ganze Zeit leise auf mich ein: Wie er sich nur von mir zu diesem Quatsch habe überreden lassen können, wie ich Wehen haben und ihm nichts davon sagen könne, ob ich erwarte, dass er sein Baby im Wald zur Welt bringe und die Nabelschnur durchnage wie ein wildes Tier, wie ich nur so verantwortungslos sein könne und so weiter.
    »Du würdest sie mit deinem Taschenmesser durchschneiden. Nagen wäre eklig und unnötig.«
    Noch nicht mal der Ansatz eines Lächelns.
    »Ich glaube nicht, dass das schon richtige Geburtswehen sind. Ich habe Kontraktionen, seitdem ich gestern Abend zu Bett gegangen bin, aber sie kommen bisher noch nicht oft.«
    »Wie oft?«
    »Alle halbe Stunde? Lass uns einfach losfahren. Ich habe bestimmt nur noch zwei oder drei, bis wir zu Hause sind.«
    Er schüttelte den Kopf, fuhr aber nicht langsamer. »Ich kann nicht glauben, dass du mir nichts davon gesagt hast. Ist ja wieder mal typisch!«
    Auf dem Parkplatz mussten wir stehenbleiben, weil die nächste Wehe kam. Sie dauerte lange und war so heftig, dass ich mich hinhocken und an der Stoßstange des nächsten Autos festhalten musste. »Oha! Autsch!«
    »Scheiße!«, fluchte Ty. »Die letzte ist noch keine fünf Minuten her! Ich bringe dich nach Stroudsburg ins Krankenhaus.«
    Wir erreichten das Auto, er hievte mich hinein und schnallte mich fest. Der Kies spritzte hoch, als er vom Parkplatz hinunterfuhr. »Ty!«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Die nächste Wehe kündigte sich an. »Bring mich erst zu euch nach Hause. Ich muss auf die Toilette.«
    »Auf gar keinen Fall!«
    »Ty, es ist dringend!«
    Ich hatte noch zwei weitere starke Wehen, bevor wir ankamen. Im Haus war alles still. Jean und Nathan mussten ins Geschäft gefahren sein. Ty half mir die Stufen hinauf.
    Es zeigte sich, dass ich gar nicht musste, sondern nur das Gefühl hatte. Ich blieb auf der Toilette sitzen, weil das besser war als zu stehen.
    Das Badezimmerfenster stand offen, und der Tüllvorhang wehte sanft in der warmen, frischen Landluft. Ich atmete tief ein, in dem Gefühl, dass mich das für die

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