Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
weiß nicht so recht.« Das Essen kam. Sie pickte mit der Gabel grüne Chilistückchen aus ihrem Rindfleischcurry und legte sie auf den Tellerrand. »Einerseits freut es mich, dass du ein bisschen was zurücklegen kannst, falls es nicht mit ihm klappen sollte. Aber eine gemütliche eigene Wohnung ist die Grundlage einer dauerhaften Beziehung. Wenn du dabei hilfst, die Hypothek abzuzahlen, wird er dich unbewusst stärker wertschätzen, wenn’s ums Heiraten geht.«
Wie immer bei unseren monatlichen Mittagessen bekam ich Sodbrennen, obwohl ich meine Chilishrimps noch gar nicht angerührt hatte. »Mom, so ist es nicht zwischen uns. Muss man denn immer so berechnend sein?«
Meine Mutter legte die Gabel hin und beugte sich über ihren Teller zu mir herüber. »Grace. Kannst du dich denn nicht mehr daran erinnern, wie es war, als du klein warst?«
»Doch.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Wir hatten es schwer.«
»Ich weiß.«
»Ich möchte damit ja nur sagen, dass du dir einen klaren Blick bewahren und vorausschauend denken solltest. Wenn ich das getan hätte, wäre vielleicht nicht alles so schlimm für uns gewesen.«
»Aber so schlimm war es doch gar nicht, Mom.«
Sie nahm ihr Besteck wieder zur Hand und schnitt ein Stück Curryrindfleisch in mundgerechte Bissen. »Wie lieb von dir, das zu sagen.«
»Mom, warum ist dir die Ehe so wichtig? Du warst auch mal verheiratet, und das war ziemlich schrecklich, oder?«
»Erst am Ende. Du wirst die Sache außerdem klüger angehen als ich. Sieh es als eine geschäftliche Vereinbarung, Grace. Entwickle eine Strategie.«
Auf ihre Art und Weise liebte sie mich, und sie tat mir wegen der Erfahrungen leid, die sie so verhärtet hatten. Dennoch brauchte ich einen Augenblick, um mich zu der Reaktion durchzuringen, die ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr unzählige Male gezeigt hatte. Lächelnd und nickend hörte ich ihr zu. Und dankte im Stillen Gott oder dem Himmel oder wem auch immer überschwänglich dafür, dass ich nicht so war wie sie.
Es war Samstag, und ich hatte Lust, ins Cloisters zu gehen, das Museum für mittelalterliche Kunst im Fort Tryon Park. Der Park war inzwischen winterlich kahl, aber in den Kreuzgängen konnte ich für eine Weile allein sein und die Stille genießen, im Museum die Reliquien und Wandteppiche betrachten, zur Ruhe kommen und meine Batterien aufladen.
Einmal hatte Steven mich ins Cloisters begleitet und fand wohl, dass diese Ration mittelalterlicher Kunst für den Rest seines Lebens ausreichte. An den Wochenenden wollte er sich entspannen, und so blieb er lieber zu Hause und spielte mit seiner Wii. Ich küsste ihn, mummelte mich ein und ging genau in dem Moment zur Tür hinaus, als Tyler Wilkie Blitzen und Bismarck in Sylvias Wohnung ließ.
»Hey, Grace!«
»Hi.« Ich erwiderte sein Lächeln.
Er stand in der Tür und hakte die Hunde von der Leine. »Wohin gehst du?«
»Ins Cloisters .«
Er warf die Leinen beiseite und zog die Tür hinter sich zu. »Was ist das?«
»Ein Museum. Mittelalterliche Kunst.« Gemeinsam gingen wir die Treppe hinunter.
»Hört sich cool an. Kann ich mitkommen?«
Auf dem ersten Treppenabsatz blieb ich stehen. Gab es einen Weg, seine Bitte höflich abzulehnen? »Na klar … wenn du Lust dazu hast. Es ist aber ziemlich weit mit der Bahn und vielleicht hast du heute Nachmittag schon etwas anderes vor …«
»Nein, ich habe den ganzen Tag nichts zu tun!« Er winkte ab.
Unten hielt er mir die Tür auf, und als wir draußen auf dem Bürgersteig waren, zeigte er auf meine Große Grüne. »Soll ich die für dich tragen?«
Ich hängte die Tasche über die andere Schulter. »O nein danke, das geht schon.«
»Sie sieht ziemlich schwer aus.«
»Da drin sind nur mein Portemonnaie, das Handy, der Haustürschlüssel und ein Buch.«
»Was, mehr nicht?«
»Na ja, auch etwas Notfallproviant und so.«
Wir gingen hinunter in die U-Bahn. »Notfallproviant? Aber in dieser Stadt kann man an jeder Ecke was zu essen kaufen!«
»Ich bin eben gerne auf alles vorbereitet.« Da ich womöglich etwas eingeschnappt klang, erklärte ich es ihm. »Einmal habe ich auf dem Nachhauseweg von der Arbeit drei Stunden lang zwischen zwei Haltestellen im Zug festgesessen. Da war ich froh, dass ich einen Müsliriegel dabei hatte.«
»Echt wahr? Drei Stunden?«
Ich zog meine Fahrkarte durch das Lesegerät und passierte das Drehkreuz. Da er auf der anderen Seite stehenblieb und in seinen Hosentaschen wühlte, reichte ich ihm meine Karte
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