Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
Fingern auf seinen Oberschenkel zu trommeln und summte leise vor sich hin. Als existiere nichts anderes.
Dann kam er wieder zu sich und holte einen Zettel aus der Jackentasche. »Hast du vielleicht einen Stift?«
Ich wühlte in meiner Tasche herum, reichte ihm einen Kuli und beobachtete, wie er etwas auf den Zettel kritzelte, ihn wieder zusammenfaltete und einsteckte. Er hielt den Kuli hoch. »Kann ich den behalten?«
»Klar«, sagte ich. »Mit besten Grüßen von Spender-Davis Education .«
»Was ist das, dein Verlag?«
»Genau.«
»Wo arbeitest du?«
»In Midtown. Avenue of the Americas.«
»Das ist nicht weit von meiner neuen Arbeitsstelle. Du kommst doch mal vorbei, oder?«
»Okay, ich versuch’s.«
Er sah mich lange an. Dann sang er leise ein paar Worte. Über die nahende Weihnachtszeit, gefällte Tannen und den Wunsch, auf einem zugefrorenen Fluss Schlittschuh zu laufen.
Joni Mitchell. Das traurigste Lied überhaupt. Noch nie hatte jemand für mich gesungen, geschweige denn jemand mit einer solchen Stimme. Deswegen sagte ich nichts. Bestimmt sah ich aus wie vor den Kopf geschlagen.
»Wo hast du deinen Freund kennengelernt?«, fragte er.
»Bei einem Ehemaligen-Picknick. Wir, äh, haben dasselbe College besucht. Allerdings nicht zur gleichen Zeit.«
»Wohnt ihr zusammen?«
»Ja.«
»Wie lange schon?«
»Acht Monate.«
»Wow, das ist ordentlich.«
Große Flocken schwebten auf uns herunter, und ich fing eine auf meinem Handschuh.
Er beugte sich vor und hauchte sie an. Wir sahen zu, wie sie schmolz.
Eine Leseratte, eine geheimnisvolle Nachbarin und der Duft von Vanille
Ich nahm Ty mit zu uns in die Wohnung und dachte, Steven wäre da. Er war allerdings unterwegs, aber es würde schon okay sein. Tyler wanderte im Wohnzimmer umher und betrachtete meine Bücher und Stevens CDs, während ich Tee kochte.
Ich stellte Tassen, Zucker, Milch, Zitronenscheiben und Cookies auf den Esszimmertisch, bat Tyler, sich zu setzen, und holte die Teekanne in der Küche.
»Hast du vielleicht Honig?«, fragte er und nahm sich direkt ein Plätzchen.
»Ich glaube schon«, sagte ich, ging in Richtung Küche und fragte zurück: »Möchtest du ein Sandwich? Es ist schon fast Zeit fürs Abendessen.«
»Ja, gerne.« Er stand auf. »Soll ich welche machen?«
Ich winkte ab. »Magst du Schinken und Käse?«
»Lecker!«
Ich schnitt den Schinken in dicke Scheiben und bereitete für Tyler zwei Sandwichs aus dem knusprigen Sauerteigbrot zu, das Steven am Abend zuvor in der Brotbackmaschine gebacken hatte. Ich servierte Honig, Tee, Sandwichs und eine große Tüte Doritos und setzte mich zu ihm an den Tisch.
Ich fragte Tyler: »Habt ihr eine Küche in eurem Apartment?«
»Eine Kochecke«, antwortete er. »Aber sie ist eklig.«
»Ist Kassandra keine gute Hausfrau?«
»Die Kochecke ist eklig, seitdem ich und Bogue eingezogen sind. Kassandra hat schon gedroht, uns rauszuschmeißen. Bogue sollte sie heute sauber machen.«
»Bogue und ich.«
Er zog eine Augenbraue hoch.
»Es heißt nicht ›ich und Bogue‹, sondern ›Bogue und ich‹.«
»Isst du die nicht?«, fragte er und zeigte auf die Krusten, die ich von meinem Brot abgepult hatte. Ich sah zu, wie er sie gierig verschlang, ebenso wie alles andere auf seinem Teller, eine Dreivierteltüte Chips und die restlichen Plätzchen. Das Ganze spülte er mit zwei Tassen Earl-Grey-Tee hinunter.
»Was hast du vor, wenn sich deine Hoffnungen nicht erfüllen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Ich konzentriere mich erst mal auf meine Musik.«
Der Schlüssel drehte sich im Wohnungstürschloss, und Steven kam herein, Schnee in den Haaren und auf dem Mantel. Er war sichtlich überrascht, dass ich einen Gast hatte, noch dazu einen ihm unbekannten Mann. Wenn ich es mir recht überlegte, auch einen mir unbekannten Mann. Die Situation war ein bisschen merkwürdig.
Tyler wischte sich die Hände an den Jeans ab und stand auf.
»Steven, das ist Tyler Wilkie. Er kümmert sich um Sylvias Hunde.«
Steven schüttelte Tyler die Hand. »Nett, dich kennenzulernen.« Er zog den Mantel aus und hängte ihn über einen der Esszimmerstühle.
»Wir haben uns vor ein paar Tagen getroffen«, erklärte ich. »Möchtest du ein Sandwich, Schatz?«
»Ach so?«, erwiderte Steven. »Nein danke, ich habe gerade einen Burger gegessen.« Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Auch Tyler nahm wieder Platz, höflich und zurückhaltend.
»Sylvias
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