Wie verkuppelt man eine Familie?
dazu stand.
„Heute ist Vanilleschotentag, oder?“, fragte Will, doch er wusste es offensichtlich bereits, denn er trottete geradewegs zu dem entsprechenden Gewächshaus. Es war sein Lieblingsort geworden – vermutlich, weil außer ihm und Garnet niemand sonst dort arbeitete.
„Mensch, ist das heiß hier drinnen!“, stöhnte er.
„Stimmt. Deswegen dürfen wir in keinem Fall vergessen, genug zu trinken. In dem Kühlschrank da drüben stehen immer Wasser und Limonade.“
Beide zogen sich Handschuhe über. Nicht, um sich selbst zu schützen, sondern die Pflanzen – vor Bakterien oder sonstigen schädlichen Einflüssen.
„Weißt du, ich habe gemerkt, dass du mit Pete getuschelt hast, als dein Dad dich hergebracht hat.“
Er wandte den Blick ab. „Ja, und?“
„Dasselbe ist mir aufgefallen, als ich Pete letzten Dienstag abgesetzt habe. Ich glaube, dass ihr beide euch geheime Dinge erzählt, die dein Dad und ich nicht hören sollen.“
„Ja, und?“, murmelte Will erneut. Dann wechselte er mit Lichtgeschwindigkeit das Thema. „Sie kennen doch meine Tante Rosemary und wissen, dass sie wilde Orchideen erforscht? Manchmal zeigt sie mir Fotos. Aber keine von den Pflanzen sieht aus wie Ihre Vanille.“
„Na ja, Pflanzen werden nicht unbedingt danach klassifiziert, wie sie aussehen. Manchmal geht es darum, wie sie bestäubt werden.“ Während sie mit der wissenschaftlichen Erklärung fortfuhr, war sie immer noch davon überzeugt, dass die Jungen etwas ausheckten. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die beiden etwas Schlimmes im Schilde führten.
„Ja, ich weiß, dass sie vom Aussterben bedroht sind und so.“
„Und die Vanille ist die einzige Pflanze aus der Familie der Orchideen, die essbare Früchte hervorbringt – soviel ich weiß. Außerdem gibt es weit über hundert verschiedene Arten, aber nur wenige davon sind zum Verzehr geeignet.“
„Ich kann ja nächstes Jahr im Biologieunterricht ein Referat darüber halten.“
„Natürlich, eine gute Idee.“
„Klasse, dann muss ich nicht mal was nachschlagen. Ich kann einfach herkommen und Sie ausquetschen.“
„Stimmt. Zu lernen, indem man mit anderen Leuten spricht oder sich Sachverhalte selbst ansieht, ist nicht schlecht.“
„Und viel leichter, als wenn man lesen muss. Wenn Sie mir etwas erzählen, ist es richtig interessant. Was müssen wir jetzt machen?“
Die Pflanzen zu berühren, war immer noch Garnet vorbehalten, aber Will hatte gelernt, mit dem Bewässerungssystem umzugehen – nach Lecks zu suchen, die Temperatur und den Feuchtigkeitsgehalt der Erde zu prüfen, die Bewässerung zu starten.
Der Junge war ein Schatz, selbst wenn er ununterbrochen redete. Er war eine ehrliche Haut und ein Macher, kein Denker und dennoch an allem interessiert.
Manchmal sah sie in ihm seinen Vater. Er war sogar ähnlich gebaut: groß, schlank, breitschultrig. Er hatte denselben Haarwirbel auf der linken Seite, denselben Schalk in den Augen, ja sogar denselben schlaksigen Gang. Doch er war noch ein Kind.
Garnet spukte das erwachsene Exemplar im Kopf herum. Erinnerungen an die Nacht mit Tucker drängten sich ihr ständig auf. Selbst wenn sie mit Kunden sprach oder sich in der sengenden Hitze wie eine Mutter um jede einzelne Vanillepflanze kümmerte.
„Oh je“, flüsterte Will plötzlich erschrocken.
„Was ist denn?“ Sie drehte sich um und erkannte auf Anhieb das Problem, weil jeder Bewohner von South Carolina wusste, wie eine Kupferkopfschlange aussieht. Manche Leute hielten die Farbgebung für wunderschön. Nicht so Garnet. Sie konnte einem Exemplar aus der Familie der Grubenotter ganz und gar nichts Positives abgewinnen. Erst recht nicht, wenn sich das Tier wie dieses zwischen ihr und einer Tür befand.
Es handelte sich um kein Jungtier, wie die gelbe Schwanzspitze und die Länge von fast einem Meter erkennen ließen.
Garnet hielt einen Moment lang den Atem an. Dann tat sie, was jede heißblütige Amerikanerin getan hätte: Sie schrie aus Leibeskräften.
8. KAPITEL
Tucker balancierte auf einem Granitfelsen, während er darauf wartete, dass die Wandergruppe aus vierzig Mädchen zwischen zwölf und fünfzehn zu ihm aufschloss.
Der Marsch von zwei Meilen war als eine Art Meditation gedacht. Hinter jeder Biegung eröffnete sich ein einzigartiger Anblick und es wimmelte von wilden Tieren, normalerweise. Nur an diesem Tag ließ sich natürlich kein Einziges blicken, denn die Mädchen plapperten, kreischten und
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