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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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als sie am dringendsten gebraucht wurden. Sie verschlimmerten alles.
    Wenn die Blase platzt, passiert dasselbe – nur, dümmer noch, mit umgekehrten Vorzeichen. Je mehr Kredite sich dann als faul erweisen, weil die Kreditnehmer von der Krise gebeutelt sind, desto höher fallen plötzlich die Ausfallprämien aus. Was wiederum die Banken trifft, deren Kredite dann noch riskanter wirken. Und so weiter.
    Risikofreude kommt vor dem Crash
    Zu den tückischsten Phänomenen der real existierenden Finanzglobalisierung gehört das prozyklische Auf und Ab der Bereitschaft aller Beteiligten, Risiken einzugehen. Wenn es nach den Vordenkern glücklicher freier Finanzmärkte ginge, müssten Banken mit jedem neuen Jahr eines Booms vorsichtiger werden: weil sie ahnen, dass die schönen Zeiten bald vorbei sind; und weil sich mit den Gewinnen frühere Schulden abbauen lassen – antizyklisch. Die Wirklichkeit ist eine andere. Da scheint es auf fatale Art genau andersherum zu laufen.
    Die Banken tendieren im Boom ganz offenbar dazu, ihre Risikoscheu stetig abzubauen. Je besser die Geschäftsbilanzen wirken, desto weniger genau guckt das Management hin, wenn neue Kredite vergeben werden. Was individuell verständlich ist, für das Gesamtsystem aber fatal. Weil jeder recht einfach Kredit bekommt,kommt auch niemand auf die Idee, dass das ein Problem werden könnte. Es gibt ja schnell neuen Kredit.
    Nach Auswertungen von Tobias Adrian und Hyun Song Shin für die New York Fed weiten Banken ihre Schulden in Zeiten boomender Vermögenspreise systematisch stärker aus, als das eigene Vermögen an Wert gewinnt. Die Zuwächse bei den Verbindlichkeiten lagen bei US-Banken in den guten Zeiten Mitte der 80er wie Ende der 90er Jahre zeitweise um die Hälfte höher als der Anstieg der Vermögen. Sprich: Für jeden eigenen Vermögenswert wird irgendwann ein Mehrfaches an Kredit genommen, zum Großteil von anderen Banken. Womit wir bei einer Kernursache der Großen Finanzkrise sind: dem hochgeschnellten Leverage, also dem Verhältnis zwischen Schulden und Vermögen bei den Banken.
    Das Fatale ist, dass die Illusion lange, aber nicht ewig hält und in sich zusammen fällt, sobald die Erwartung an eine ewige Fortsetzung des Traums platzt. Die Illusion hält nur solange, wie jeder Kredit auf Pump dadurch abgesichert scheint, dass der Andere seine Schulden zurückzahlt. Lässt der Glaube nach, was dann eher psychologisch als mit fundamentalen Fakten zu begründen ist, hangelt sich die neue Skepsis der Kette entlang nach unten. Dann geht es mit Wucht wieder bergab.
    Wenn die ersten Banken vorsichtiger werden, erscheint manch ausstehender Kredit plötzlich als riskant. Dann verlängern die Risikomodelle plötzlich den Abwärtstrend, weil es den Abwärtstrend gibt. Dann gucken die bankinternen Kontrolleure wieder genauer hin. Dann versuchen gerade noch großspurig aufgetretene Banker, ihre Bilanzen ad hoc aufzubessern, indem sie ihre Kreditlinien zurückfahren und Schulden abbauen – was andere in Not bringt, die gerade in so schwierigen Zeiten dringend Kredit zur Überbrückung und zum Überleben bräuchten.
    Wie die beiden Fed-Ökonomen herausfanden, dreht sich die fatale Logik dann um: Die Banken führen ihre Verschuldung im Abschwung viel stärker zurück, als ihre Vermögenswerte sinken. Was ebenso nachvollziehbar wirkt wie die zunehmende Risikofreude in schönen Zeiten. Nur: Systemisch führt das ins Desaster. In der Summe wird das Auf und Ab durch die legere Kreditvergabe imBoom und die panikartige Scheu im Abschwung verstärkt, wirkt das Bankenverhalten extrem prozyklisch. Wenn im Abschwung alle gleichzeitig Schulden zurückzuführen versuchen, löst das Pleitewellen aus, die wiederum die Risikoscheu verstärken. Da zieht es vor lauter Panik auch jene Unternehmen und Kreditnehmer irgendwann mit, die gut aufgestellt waren, jetzt aber kein Geld mehr bekommen, weil die Banken hastig kürzen.
    Das Dilemma steckt ganz offenbar im System. Solange die Sause anhält, scheinen die Risiken gering zu sein. Nur, wenn alle Banken auf dieser Basis agieren, entsteht in der Summe eine atemberaubende Verschuldung, wie bis 2007. Dass dieser Traum platzen muss(te), scheint im Nachhinein klar, war aber in die Risikoeinschätzung jeder Bank vorab schwer einzurechnen. Wer weiß schon genau, wann aus einem normalen Boom eine Blase wird? Und wann die platzt? Im Abschwung herrscht schnell Panik. Dann laufen alle weg.
    Ratingagenturen – überforderte Herdentreiber?
    In

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