Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Investor gerade reich geworden ist, weil er die Aktie Soundso hat. Da gibt es plötzlich wie im Jahr 2000 Börsenblätter, die alle dasselbe schwärmen, weil ja so viele Anleger plötzlich meinten, problemlos reich werden zu können und gern solche Blätter lesen wollten.
Da wird jedes Unternehmen gefeiert, bei dem die Kurse steigen. Und da wird enorm viel Kreativität aufgewandt, um zu erklären, warum die Gesetze der Schwerkraft diesmal ausgesetzt sind. Da finden sich plötzlich Busladungen von Experten, die darlegen, warum man gar keinen Gewinn braucht, um mit Tech-Werten reich zu werden: weil ja die Kurse so schön steigen und so das Geld reinkommt. Esoterisch. Oder die im größten Immobilienpreisboom der USA noch demographische oder andere Gründe dafür finden, warum es normal ist, dass die Hauspreise so steigen. Oder die uns im T-Aktiendusel bei einem völlig absurd hochgeschnellten DAX-Index erklären,wir hätten halt so viel Nachholbedarf in unserer Aktienkultur. Was heute wie Realsatire klingt, damals aber ein Großteil der Kleinund Großanleger glaubte.
Dabei hatten die Aktienkurse da schon über Jahre schneller zugelegt als die Wirtschaftsleistung, was auf Dauer nicht geht. Damals hat das niemand wissen wollen.
Unser Gehirn habe eine enorme Fähigkeit, die jeweiligen Umstände als gegeben anzunehmen und sich an neue Umstände schnell anzupassen, sagt der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman. Das erkläre, warum wir vor Crashs fest überzeugt seien, dass es keine mehr geben werde, selbst wenn die Anzeichen dafür zunehmen, und nach einem Crash in Windeseile sagen, dass es so kommen musste. Dass wir sogar fest glauben, wir hätten es vorher gewusst (was definitiv nicht stimmt). Das könne auch erklären, unkt Kahneman, warum es nach dem Lehman-Schock 2008 immer neue Experten gab, die angeblich davor gewarnt hatten. »Ich kann mich nicht erinnern, vorher so viele Warner gehört zu haben«, spottete der Psychologe ein paar Monate später auf einer Abendveranstaltung mit etlichen Experten, die es schon immer wussten, in Davos.
»In Euphoriephasen kommt immer schnell die These von der neuen Ära auf«, sagt Yale-Ökonom und Finanzblasen-Guru Robert Shiller, der in seinen Büchern diverse Exzesse tatsächlich eindrucksvoll erahnt hat. Die kollektive Wahrnehmung sei in solchen Phasen immer dieselbe. Da bestätigen steigende Kurse ja (scheinbar) Tag für Tag die Geschichte von der wundersamen neuen Wirtschaft – und dass es ja lohnen muss, dort sein Geld hinzugeben. Was in Wirklichkeit nur damit zu tun hat, dass alle glauben, dass das so ist, und die Kurse dann eben (und nur deshalb) steigen – solange, bis den Ersten auffällt, dass die Notierungen weit von der Wirklichkeit entfernt sind und Angst aufkommt. Wie etwa im März 2000. Crash.
Von da an ist es nicht weit bis zum Platzen der Erwartungsblase, worauf das Drama ebenso prozyklisch weitergeht: nach unten. Dann nähren fallende Kurse die Erwartung, dass die Kurse fallen, weshalb Spekulanten darauf setzen – und den Trend weiter verstärken. Dann werden Anleger so ängstlich, dass selbst Unternehmen und Länder inden Sog des Zweifels kommen, die noch solide dastanden – da reicht dann der Verdacht, dass deren Kurse an Wert verlieren könnten, schon ist der Kursverlust da und bestätigt (scheinbar) die Zweifel.
Mit einem (un)gesunden Schuss selektiver Wahrnehmung lässt sich im Nachhinein bei jedem Unternehmen und Land ein Makel finden, mit dem sich der Absturz begründen lässt. So wie das beim Aufwärtstrend war, zieht der Trend auch abwärts seine Kreise. Was im Grunde noch schlimmer ist und die Prozyklik noch gefährlicher macht. Da wirkt auch Tante Erna als Verstärker.
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All das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die Protagonisten der Finanzglobalisierung versprochen hatten: dass uns freie Märkte eine stabilere Welt bescheren. Was mit hoher Regelmäßigkeit nicht zu funktionieren scheint, ist die Mutter aller Annahmen: dass weise Spekulanten dafür sorgen, Ausreißer gleich zu korrigieren. In Wirklichkeit folgen überforderte Akteure mal Daumenregeln, mal einfach den Anderen, was in der Summe zum Über- und Unterschießen von Kursen führt. Da rennt die Herde wundersamen Trends hinterher. Da fehlt dann der Stoppmechanismus, der die Finanzschäfchen zur Vernunft bringt, das Hochschießen der Kurse früh bremst.
All das wird brisant, weil in solchen Situationen besagte Verstärker wirken, ob durch klassische
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