Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Daten rauszurücken. Oder neue Aufsichtsbehörden geschaffen. Und Banken mussten fortan Dutzende Zeilen Disclaimer an jede Mail und Publikation hängen, die kein Mensch liest, aber angeblich für Klarheit sorgen und darüber informieren, dass man mit Aktien auch Geld verlieren kann. Ach. Motto: Da gibt es halt ein paar Dummerchen.
Seit 2007 scheinen selbst Altorthodoxe an ihrem Weltbild zu zweifeln. Seitdem gibt es kaum einen Monat, in dem nicht eine neue Direktive zur Umsetzung von schärferen Regeln für Finanzjongleure kommt. In Basel wurde das mittlerweile dritte internationale Richtwerk entworfen. Plötzlich gibt es Bankenabgaben, Finanztransaktionssteuern und Vorschriften zur Boni-Begrenzung. In den USA ist im Juli 2010 das Dodd-Frank-Gesetz verabschiedet worden, das die Freiheit der Banker einschränkt. In Großbritannien darf die Finanzaufsicht künftig notfalls bei Banken eingreifen. Das hätte kürzlich noch als kontinentaler Kommunismus gegolten. Ähnlich wie die Idee, das Bankgeschäft zwangsaufzuteilen, wie es die EU-Expertengruppe um Erkki Liikanen im Herbst 2012 vorschlug. Oder Peer Steinbrück. Und wie Finanzminister Wolfgang Schäuble es plant.
All das hat mit Abwiegeln nichts mehr zu tun. Die Frage bleibt, ob in all den neuen Regeln das Zeug für eine große Wende steckt. Treffen Bankenabgaben und Trennbanken den Kern des Dilemmas der Finanzglobalisierung? Oder wird da nur hektisch an Symptomen kuriert, was am Ende bloß die nächste Krise heraufbeschwört? Was hilft es, die Ursachen vergangener Krisen anzugehen, wenn Finanzkrisen nie exakt gleich daher kommen? So schnell wird es keine Subprime-Blase mehr geben. Da hilft eine stärkere Regulierung von Hypothekenkrediten an Ärmere nichts.
Was also hilft? Darum soll in den nächsten Kapiteln gehen: um die Frage, was jene fatale Eigendynamik der Märkte bricht, die in drei Jahrzehnten Finanzglobalisierung zunehmend Desaster produziert hat. Und in welche Reformen die größte Energie gesteckt werden sollte. Damit am Ende kein Regelmonster herauskommt, das keiner mehr versteht und viele Möglichkeiten für findige Finanzjongleure bietet, die Regeln (wieder) zu umgehen.
Es gilt dabei auch zu prüfen, ob es nicht besser wäre, ein paar wenige große Reformen anzustreben, die radikal die Logik der Finanzwelt ändern und manchen Bankspielplatz schließen – statt unkoordiniert in jedem Land zig Verordnungen zu diesem und zu jenem zu erlassen. Dann müsste sich jede neue Regel daran messen lassen, wie stark sie dazu beiträgt, das Finanzsystem viel weniger anfällig für das Urproblem zu machen: jenen sich selbst verstärkenden Hang zu absurden Booms und anschließend entgleisenden Crahs, zu Herdentrieben und prozyklischen Übertreibungen nach oben wie nach unten und zur Konzentration von Vermögen bei wenigen.
Wie radikal sollte das Schrumpfen ausfallen? Und wäre es sinnvoll, als Vorbild die langweilige Finanzwelt der 50er bis 70er Jahre zu nehmen, in der die Banken weniger wichtig waren und es dem Rest der Wirtschaft gar nicht so schlecht ging? Was zu klären voraussetzt, welche Geschäfte sinnvoll sind und welche uns von Insidern nur kompliziert verklausuliert mit dem Argument verkauft werden, dass die Wirtschaft ohne dieses Wunderprodukt oder jenes Derivat angeblich sofort kollabiere.
Eine Menge lässt sich bei alledem aus der Geschichte lernen. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass die Menschheit vor der Aufgabesteht, eine geplatzte Finanzmarktillusion wieder unter Kontrolle zu bringen – und die Banken nach jahrelangen Exzessen zu schrumpfen. Das gab es schon einmal.
1. Menschliche Lernschwäche? – Geschichte in der Wiederholungsschleife
Es hat etwas Tröstliches oder Frustrierendes – je nachdem, wie man es betrachtet: Was die Welt seit 2007 erlebt, ähnelt in Vielem auf schaurige Art dem, was vor und nach dem großen Crash 1929 passiert ist. Auch damals gab es vor dem Kollaps jahrelang atemberaubend wachsende Vermögenswerte, konnten Banken frei schalten und walten. Die Gehälter in der Finanzbranche lagen dramatisch über dem Schnitt im Rest der Wirtschaft. Bis der Crash kam, die Wirtschaft kollabierte – und Franklin D. Roosevelt ansetzte, die Banker wieder unter Kontrolle zu bringen, weil sie mehr Schaden angerichtet hatte als Nutzen zu stiften. In seiner Antrittsrede am 4. März 1933 wetterte er in alttestamentarischer Strenge über die Banker, wie es inhaltlich heute auch passen würde:
»Die Geldwechsler sind aus ihren hohen
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