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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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war die Welt grenzenloser Geschäfte im Millisekundentakt.
    Das Ergebnis fiel nirgends so spektakulär aus wie auf dem Wettmarkt. Von 1986 bis 1995 schoss der Umsatz mit Finanzderivaten von weltweit jährlich weniger als 50 auf mehr als 300 Billionen Dollar hoch, wie aus Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hervorgeht. Zehn Jahre später waren es rund 1 500 Billionen Dollar (also 1,5 Trillionen). Da reichen die Stellen bei handelsüblichen Taschenrechnern nicht mehr aus. Davon könnte man 10 000-mal das Griechenland-Rettungspaket von 2010 bezahlen. Das sind pro Tag allein fast 8 Billionen Dollar, die da hin- und hergeschossen werden – eine Summe, für die 40 Millionen Erwerbstätige bei uns drei Jahre lang arbeiten müssen. Macht in jeder Sekunde fast eine Milliarde Dollar. Oder am Tag etwa 56-mal so viel wie die Wirtschaftsleistung aller Industrieländer in einem Jahr, schätzt der Wiener Finanzmarktexperte Stephan Schulmeister.
    Losgelöst von der Wirklichkeit
    Gehandelte Volumen an den globalen Finanzmärkten gemessen am weltweiten Bruttoinlandsprodukt in %

    * Wetten auf künftige Kursentwicklungen; ** üblicher Börsenhandel; *** Over the counter = nicht über Börsen gehandelt
    Quelle (2): Schulmeister/Wifo
    Noch was: Die globalen Bestände an handelbaren Kreditausfallversicherungen (CDS) schnellten von null Mitte der 90er Jahre auf mehr als 60 Billionen Dollar 2007 hoch, wie Adair Turner in seinem Buch Economics After the Crisis eindrucksvoll darlegt. Dagegen nahmen sich die Umsätze im realen Handel mit Aktien (2005 bei 168 Milliarden Dollar) und Anleihen (47 Milliarden Dollar) regelrecht mickrig aus. Alles in allem seien 85 Prozent des Handels an Finanzmärkten jetzt Derivatgeschäfte, so Schulmeister.
    In dieser Zeit sind aus mittelmäßig wichtigen Bankhäusern beeindruckende Großunternehmen mit volkswirtschaftlichem Gewicht geworden. Nach dem Bericht der EU-Expertengruppe um den finnischen Notenbankchef Erkki Liikanen, dem Vertreter Finnlands im EZB-Rat, standen im Jahr 2008 allein bei der Deutschen Bank gut 2,2 Billionen Euro in der Bilanz – etwas weniger als das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt eines Jahres. Selbst die Krisen-Commerzbank kam 2011 noch auf 661 Milliarden Euro Aktiva, die DZ Bank auf 405 Milliarden und die Landesbank Baden-Württemberg auf 372 Milliarden. Nimmt man alle Vermögenswerte, die in den Büchern deutscher Banken stehen, lagen diese mehr als dreimal so hoch wie das, was die Menschen im Land jährlich an Waren und Dienstleistungen erwirtschafteten. In Frankreich und den Niederlanden erreichte die Quote gut das Vierfache, in Großbritannien fast das Sechsfache.
    Zwischen 1980 und 2007 hat sich der Anteil der Finanzbranche an der ausgewiesenen Wertschöpfung in den USA auf acht Prozent verdoppelt. Nimmt man Immobilienmärkte und Versicherungen dazu, liegt die Quote seit 2000 bei mehr als 20 Prozent – fast doppelt so viel wie der Beitrag der Industrie. Ähnliches gilt für Großbritannien, wo sich die Finanzszene von 1980 an ebenfalls von der realen Wirtschaft abgekoppelt hat, wie Andrew Haldane dargelegt hat: Während die Wirtschaft in den drei Jahrzehnten nach dem »Big Bang« um rund 100 Prozent wuchs, verdreifachte sich die vermeintliche Wertschöpfung der Banken.
    In diese Zeit fällt auch der enorme Anstieg der Gehälter. Nach Schätzungen, die Thomas Philippon im April 2009 dokumentiert hat, verdiente ein US-Banker im Schnitt 1980 nicht nennenswert mehr als andere Leute in der Wirtschaft. Um 2005 waren es plötzlich70 Prozent mehr. Im Schnitt. Was Philippon und seine Kollegen auf einen »sehr engen Zusammenhang« zwischen der Deregulierung und dem erhöhten Bedarf an hochqualifizierten Kräften im Finanzsektor zurückführen. Nur dass die Bezahlung am Ende übers Ziel schoss, worauf wir noch zurückkommen.
    Höhenflug der Bankerbezahlung
    Um wieviel die Gehälter in der Finanzindustrie über dem Schnitt der Wirtschaft liegen, in %

    Quelle: Philippon
    Nun wäre selbst das noch kein Grund, dahinter zwingend etwas wirtschaftlich Verwerfliches zu sehen: Wenn die Geschäfte dazu dienen, Geld schneller dahin zu bringen, wo es für wichtige Dinge gebraucht wird, oder wenn die Märkte durch das Hin- und Herhandeln noch näher an den optimalen Preis herankommen und noch schneller auf fundamentale Änderungen reagieren können, oder wenn Investoren sich durch Derivate besser absichern und gegen Risiken versichern können, dann kann ja

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