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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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kreativ zeigte, neue Produkte zu entwickeln, die erstmal keiner kannte und einschätzen konnte und die sich erst später als riskant erwiesen. Ein Risiko, das in der Vergangenheit in dem Maße stieg, in dem die Produkte komplexer wurden. Weil zugleich die Aufsichtsbehörden nie auch nur ansatzweise so viel Gehalt bieten konnten wie Hedgefonds und andere, waren ihre Beschäftigten in der Regel völlig unterqualifiziert und überfordert, die Tricks zu erkennen. »Die Regulatoren hatten nicht das Personal, um mit der Finanzindustrie mitzuhalten und diese hinreichend zu verstehen undeffektiv zu regulieren«, so Thomas Philippon. Das eröffnet Möglichkeiten zur Manipulation und zur Umgehung von Einzelregeln. Wer hat sich vor 2007 schon Gedanken über Subprime-Kredite am amerikanischen Immobilienmarkt gemacht?
    All das spricht dafür, dass es schwierig ist, das Schrumpfen der Branche per Einzelfallentscheidung und sozusagen auf Mikroebene zu bewerkstelligen. Vielleicht geht es aber auch anders.
    Wirtschaftswunderzeit als Vorbild
    Eine aussichtsreichere Möglichkeit, auf die Banken-Sinnfrage zu antworten, könnte sein, sich an vermeintlich besseren Zeiten zu orientieren – und zu prüfen, ob wir nur in die Art von Bankenwelt zurückkehren müssen, die es gab, bevor die zweifelhafte Finanzglobalisierung einsetzte. Sprich: in die Zeit, als Ronald Reagan noch Schauspieler war – in die Zeit vor der Freigabe der Wechselkurse, vor dem Startschuss für den Höhenflug der Devisenmärkte. Wobei es dann eher um den systemischen Rahmen ginge, weniger um die Prüfung einzelner Produkte.
    Der Gedanke hat durchaus etwas für sich. Immerhin fielen in den 50er bis frühen 70er Jahren zwei Phänomene zusammen: eine Finanzwirtschaft, die extrem reguliert war, und eine Realwirtschaft, die einen der größten Fortschrittsschübe meisterte, den die Menschheit in ihrer Geschichte je gekannt hat.
    Zwischen 1950 und 1970 hat sich die Wirtschaftsleistung in Deutschland mehr als verdreifacht, bei einem Wachstum von durchschnittlich sage und schreibe 8,2 Prozent Jahr für Jahr in den 50er Jahren – chinesische Verhältnisse. Die Exportwirtschaft stemmte damals eine spektakuläre Expansion des Handels mit Ländern rund um den Globus – ganz ohne komplizierte Absicherungsinstrumente: Im Jahr 1970 waren die deutschen Verkäufe im Rest der Welt fast 15-mal so hoch wie 1950. Dagegen wirkt selbst die Verdreifachung eher bescheiden, die es von 1990 bis 2010 gab, zur Hochzeit der Finanzglobalisierung.
    In den Nachkriegsjahrzehnten hoben deutsche Unternehmen auch ihre Investitionen um jährlich durchschnittlich zweistelligeProzentsätze an – ein enorm wachsender Kapitalbedarf, der ganz ohne Derivate, Hedgefonds und anderen Finanzzauber gedeckt wurde. Und in den Privathaushalten raste binnen weniger Jahre der Ausstattungsgrad mit Kühlschränken, Fernsehern und Autos auf Raten von über 90 Prozent hoch.
    Kein deutscher Einzelfall. In Frankreich legte die Wirtschaftsleistung in den »Trente glorieuses« – den 30 glorreichen Jahren nach dem Krieg – sogar noch schneller zu als im Nachkriegsdeutschland. Und auch für die USA gilt der bemerkenswerte Befund: Während just dieser Zeit hoch regulierter Finanzmärkte wuchs die Wirtschaft im Schnitt schneller als in der darauf folgenden Zeit losgelöster Bankgeschäfte. Mehr noch: Nie zuvor gab es in so kurzer Zeit einen so eindrucksvollen jährlichen Anstieg der Produktivität, diagnostiziert US-Wachstumsexperte Robert Gordon. »Die eigentliche Phase beispiellosen Wachstums gab es in der Generation nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Einkommen sich mehr als verdoppelten«, bilanziert Paul Krugman. Alles ohne großes Bankenbohei.
    Ob die erfreuliche Wachstumsbilanz mit der Abwesenheit von Hedgefonds und anderen späteren Spuken kausal zu tun hatte, mag noch mal dahin gestellt sein. Es ist bemerkenswert genug, dass all diese Wirtschaftswunder ganz ohne all die modernen Finanzinstrumente vollbracht wurden, die uns später über drei Jahrzehnte als Formel für ökonomisches Glück verkauft wurden.
    Der wirtschaftliche Boom fiel in eine Zeit, in der die Devisenmärkte wenig Geschäft hatten, weil die Wechselkurse festgelegt waren. »Die Rückkehr ganz Westeuropas zum Wohlstand wurde ohne freien Kapitalverkehr erreicht«, schrieb der Globalisierungsvordenker Jagdish Bhagwati 1998 in seinem Artikel The Capital Myth . Portugal und Irland liberalisierten ihren Kapitalverkehr sogar erst Anfang der 90er Jahre. Wenn

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