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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Investitionen schwerer finanzierbar.
    Es muss andere Faktoren als die niedrigen Zinsen gegeben haben, die die Finanzbranche derart zum Schuldenmachen animiert haben, nicht die Realwirtschaft – Faktoren, die es wieder abzuschalten gilt. Die plausiblere Antwort: Wenn die Finanzbranche so abgedreht ist, hat das weniger mit Zinsen als mit ihrem eigenen Hang zu tun, sich mangels stabilisierender Spekulation in irre Wellen zu stürzen.
    Zweiter Schluss: Es kommt beim Zurückschrauben des Finanztreibens darauf an, jetzt auch nur die Art von schlechten Krediten zu bremsen, die zum zweifelhaften Boom der Finanzbranche beigetragen haben. Und die zu schonen, die gar nicht geboomt haben: die Kredite, die an Leute mit neuen Geschäftsideen, Mittelständler und Konzerne vergeben werden, um realen Umsatz zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Jedes gute Reformpaket muss dann darauf abgestellt sein, die schlechten Schulden zu stoppen und die guten zu fördern – und nicht beide gleich zu behandeln, wenn nur in der Finanzsphäre die Fehlerquelle liegt.
    Nach Bezemers Überlegungen ließe sich dafür sogar ein grober Zielwert definieren, an dem sich Politiker und Notenbanker orientieren können. Auf Dauer sollten die Kredite einfach nicht deutlich höher liegen als das Bruttoinlandsprodukt, also über 100 Prozentder Wirtschaftsleistung – wobei die 100 Prozent sich dadurch ergeben, dass halt jede zusätzliche Wirtschaftsleistung vorfinanziert werden muss, weil es per Definition dafür noch keine Ersparnis gibt. Das ergäben auch diverse Schätzungen, so Bezemer, wonach das Wirtschaftswachstum bei Überschreiten von etwas unter oder über 100 Prozent gebremst werde. Gehe es über Jahre stark über die 100er Schwelle hinaus, müssten bei den Aufsehern künftig automatisch die Alarmglocken klingeln.
    ***
    Der Schluss drängt sich auch hier auf, dass es uns per se besser ginge, wenn die Bankenwirtschaft auf etwa das Niveau zurückschrumpfen würde, auf dem sie sich vor Ausbruch der Finanzglobalisierung bewegte, und dass die damaligen Rahmenbedingungen als Orientierung eine Menge taugen. Wirtschaftlich gute Zeiten fallen eben doch nicht zufällig mit Epochen einer stark regulierten und bescheidenen Finanzszene zusammen. Die Bescheidenheit scheint die Wirtschaft eher gestützt als gestört zu haben.
    Zu diesen Zeiten des »boring banking« war es auch gar nicht nötig, zwischen guten und schlechten Schulden zu unterscheiden, weil die schlechten Kredite kaum ins Gewicht fielen, die Finanzbranche nur sehr bedingt untereinander Schulden machte. Diese Schuldenspirale hat erst angefangen, als die gute alte Zeit des langweiligen Geldverwaltens vorbei war. Als eifrige Reagans und Thatchers die Finanzbranche mal eben deregulierten, weil ihnen Lobbys und Ökonomiegurus das als Großtat für die wirtschaftende Menschheit verkauften. Scharlatanerie.
    So ein Ausstieg geht nicht von heute auf morgen. Die 30er Jahre haben gezeigt, was passieren kann, wenn sich das Implodieren einer so gewaltigen Finanzblase verselbständigt und so ein Wandel weg vom Bankerprimat nicht abgefangen wird. Dass so ein Ausstieg bei entsprechender Begleitung nicht utopisch ist, hat die Zeit nach 1933 in den USA allerdings auch gezeigt – allen heutigen Warnungen, Drohungen und Unkenrufen aus der betroffenen Bankenbranche zum Trotz.
    Das heißt nicht, dass alles wie früher sein muss. Wer will schonmit gehäkelten Toilettenrollenhüten auf der Rückablage im Auto rumfahren? Es gibt auch im Bankgeschäft Dinge, die seit den frühen 80er Jahren erfunden wurden und die alles andere als schlecht sind, und seien es Mikrokredite und Startup-Hilfen. Und es muss auch nicht jede Regulierung aus der Nachkriegszeit optimal gewesen sein. Als Benchmark und Richtwert für künftige Regeln und Rahmenbedingungen taugt die Zeit zwischen den beiden großen Finanzkatastrophen aber allemal. Jedenfalls eher als die Zeit danach. Im Zweifel sollte die neue Finanzwelt eher derjenigen der 50er bis 70er Jahre ähneln als der von 2007.
    Das Wichtigste ist dann, einen neuen Rahmen zu definieren, aus dem sich möglichst ohne tausendfaches Eingreifen und heilloses Herumregulieren ganz automatisch ein stabileres Finanzsystem mit höherem gesellschaftlichem Mehrwert entwickelt. Wie das gehen könnte – dazu jetzt mehr.

    1   In den USA ist die Buchstabenkombination FIRE als Bezeichnung für den erweiterten Finanzsektor gängig: Finance, Insurance, Real Estate.

3. Von guten und von schlechten

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