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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Kapriolenschutz für Rohstoffmärkte – nach dem Grundsatz: Mit Essen spielt man auch nicht.
    5. Und vor allem ein System automatischer Korrekturen als Mittel gegen gefährliche Euphorie- und Panikattacken – und Ersatz für die fehlende stabilisierende Spekulation.
    6. 5+: Dazu eine Bonusreform für Geldhändler – zur Sicherheit.
    Utopisch? Gegenfrage: Wer hätte vor der jüngsten Finanzkrise gedacht, dass Regierungen außerhalb des Ostblocks einmal Banken verstaatlichen, um deren Kollaps zu verhindern? Wer hätte geahnt, dass Notenbanken ganze Staaten retten müssen? Oder dass eine konservative Bundesregierung Konjunkturpolitik macht 1 ? Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass CDU-Politiker einmal dafür kämpfen, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen?
    Im Grunde reiht sich seit Ausbruch der Krise eine wirtschaftspolitische Sensation an die andere, ob zum Guten oder zum Schlechten. Und: Wenn die Bilanz eines Experiments so desaströs ausfällt, muss auch das Gegenmittel entsprechend rabiat ausfallen. Ob sich die ganz großen Reformen durchsetzen, hängt ja auch davon ab, wie gut und überzeugend sie daherkommen. Und wie sehr irgendwann die Zeit dafür reif ist.
    Los geht’s.
    Säule 1: Finanztransaktionssteuer – Sand in alle Getriebe
    Seit Ausbruch der Geldglobalisierung hat sich als Dogma zunehmend festgesetzt, dass Finanzgeschäfte am besten gar nicht zu besteuern sind. Geldbesitzer, so hieß es von Anfang an mitfühlend,seien wie scheue Rehe und zögen ihr Kapital ab, sobald ihnen Steuern zu hoch ausfielen. Was die Existenz etlicher absurder Steuerparadiese auf pazifischen Inseln erklärt, wohin die Rehe sich flüchten. Anders als Gebäude, Maschinen oder sonstige dingfeste Anlagen lässt sich das Gros der Finanzanlagen per Knopfdruck oder Anruf in Sekunden abziehen. Im Notfall sind ein paar Gebühren zu zahlen. Otto Normalarbeitnehmer kommt da eher einem gestrandetem Walross nahe (um beim Reh-Bild zu bleiben): Der kann von Wanne-Eickel nicht mal schnell nach, sagen wir, Dublin huschen, weil da gerade die Einkommensteuer niedriger ist.
    De facto hat das Leitmotiv der scheuen Rehe zu einem irren Wettlauf um die niedrigste Besteuerung geführt. In Deutschland wurde in den 90er Jahren die Kapitalertragsteuer ganz abgeschafft – in einem (Achtung!) Finanzmarktförderungsgesetz. Damals dachten die Kohlund Schröder-Regierungen noch, das Jonglieren müsste dringend gefördert werden, weil wir ja sonst bei der Finanzsause nicht dabei wären und im Kampf ums Kapital verlieren würden. Die nötigen Steuern für unsere Schulen, Straßen und Universitäten mussten seither die Leute aus Wanne-Eickel halt allein beischaffen. Findige Finanzmarktförderungsexperten erklärten zur Begründung der Steuerbefreiung für Rehe, dass es bei einem Finanzgeschäft ja um den Umsatz von Geld gehe, das aus Einkommen gespart wurde, das bereits besteuert wurde. Da wäre jede Finanzsteuer ja eine furchtbare Doppelsteuer.
    Absurdes Argument. Genauso könnte man zum Bäcker gehen und die Mehrwertsteuer aufs Brötchen abziehen, weil das Geld, mit dem man das Brötchen bezahlt, vorher auch schon der Einkommensteuer unterzogen wurde. »Das Nichtbesteuern von Kapital ist schlicht eine Verzerrung«, sagt der Wiener Stephan Schulmeister, ein Vordenker der Finanztransaktionssteuer. Zum selben Urteil kommt der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof. Es sei systematisch abwegig, Umsätze an Finanzmärkten nicht zu versteuern, so der konservative Professor aus Heidelberg, der daher ebenfalls für die Finanzsteuer ist.
    Die Branche werde steuerlich »nicht so stark belastet wie andere Wirtschaftssektoren«, so Adair Turner, der Chef der britischen Finanzaufsicht FSA. Schon deshalb sei »ein faires Steuersystem zuschaffen«. Die weitgehende Steuerfreiheit auf Finanzgeschäfte dürfte auch stark zu den Exzessen in der Bankensphäre beigetragen haben. Für Leute mit Geld, die nur auf Rendite aus sind, ist es lohnenswerter, in komplizierte Finanzprodukte (und Finanzblasen) zu investieren, als eine Fabrik zu bauen und Arbeitsplätze zu sichern, die ja auch noch zu versteuern sind. Und nicht zu vergessen: Der Hochfrequenzhandel, wo selbst minimale Preisdifferenzen zu einem atemberaubenden Hin und Her von virtuellen Transfers animieren, ist völlig steuerfrei.
    Nimmt man das Lemminge-Argument außen vor, dass man die Steuern hat senken müssen, weil es alle anderen auch gemacht haben, bleibt die Frage, was ökonomisch gegen eine Finanzmarktsteuer

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