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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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spricht. Die Antwort hängt stark vom Glauben in die Effizienz der Märkte ab. Wer davon noch tief überzeugt ist, für den gilt nach klassischer Finanzmarktlehre, dass die Effizienz nur desto größer werden kann, je ungestörter gehandelt wird. Und eine Steuer stört natürlich. Ohne steuerliche Belästigung können noch mehr Kapitalströme fließen und Investoren die vorhandenen Informationen über den vermeintlich gerechten Preis noch besser verarbeiten. Eine Steuer – so das Standardargument – drohe nur dazu zu führen, dass die Liquidität schwindet, dass es also nicht mehr genug Leute gibt, die kurzfristig Geld zur Verfügung stellen.
    Wenn das so wäre, könnte man fragen, warum wir uns überhaupt über Bankenexzesse Gedanken machen müssen – warum nach so vielen steuerfreien Finanzparadiesjahren der steuerzahlende Rest der Republik dreistellige Milliarden rausrücken musste, um kollabierende Banken wie die Commerzbank vor dem Aus zu retten. Komische Art von Steuergerechtigkeit.
    Wer an das Märchen von den effizienten Turbomärkten nicht mehr so recht glaubt, kommt eher zum entgegengesetzten Schluss. Dann könnte eine Steuer auf Finanztransaktionen die Krisenursachen sogar ziemlich genau treffen – und sich als eines der effizientesten Mittel gegen manisch-depressive Schwankungen erweisen. Für eine solche Steuer auf Devisengeschäfte sprach sich in einer legendären Rede schon 1972 der US-Ökonom James Tobin aus – wie ein paar Jahrzehnte vorher der Brite John Maynard Keynes.
    Wenn das Kernübel der Instabilität darin liegt, dass Finanzjongleure zu prozyklischen Reaktionen neigen und die Herdenreflexe mit all ihren verstärkenden Momenten größer werden, je mehr gehandelt wird, dann verkehrt sich eben das Argument. Dann ist es besser, wenn weniger gehandelt wird – zumindest in einer Welt, in der die Finanzvolumen schon ein Vielfaches dessen ausmachen, was tatsächlich an Geschäften in der Realwelt zu finanzieren ist. In so einer Welt gibt es auch keinen Liquiditätsmangel. Wenn täglich Multibillionen gehandelt werden, ist es absurd, einen Mangel an Geld zu befürchten.
    Dann verkehrt sich plötzlich auch das Argument in Sachen Steuern. Dann erscheint es als heilsam, eine Steuer einzuführen oder zu erhöhen. Weil das dazu beiträgt, Umsätze und manisch-depressive Wellen zu dämpfen. Dann wird im positiven Sinne »Sand ins Getriebe« gestreut, wie Tobin es formulierte, weil das Getriebe sonst heißlaufen würde.
    Nun könnte man einwenden, dass so eine Steuer auch ganz bedächtige Anleger treffen würde – etwa Tante Erna, die ein bisschen zur Seite legen will. Klar. Nur hat auch hier die Idee der Transaktionssteuer etwas Verlockendes. In den gängigen Entwürfen geht es darum, nur einen kleinen Steuersatz von 0,005 bis 0,1 Prozent zu erheben. Der Trick: Dieser Satz ist so gering, dass er für Tante Erna beim gelegentlichen Kaufen oder Verkaufen von Aktien kaum spürbar ist, es für diejenigen aber sehr wohl wird, die professionell damit beschäftigt sind, Summen im Minutentakt zu kaufen und zu verkaufen – also denen, die den aktivsten Beitrag zu Megaumsätzen und Wellenbewegungen leisten.
    Wenn jeder Kauf zu versteuern wäre, wären viele Geschäfte, die auf kleine Margen setzen, nicht mehr rentabel, besonders im computergestützten Hochfrequenzhandel. Da geht es ja darum, in Bruchteilen von Sekunden minimale Preisabweichungen auf den Märkten durch schnellen Kauf und Wiederverkauf auszunutzen. Der Gewinn ist bei jeder einzelnen Aktion im Zweifel gering – und würde schon bei geringer Besteuerung implodieren.
    Um die Wirkung einer Steuer abzuschätzen, hat Finanzmarktexperte Schulmeister analysiert, wie solche Tempofinanzgeschäftedazu beitragen, Kurse kurz- wie langfristig immer wieder überschießen zu lassen. Ergebnis: Die Finanztransaktionssteuer würde genau den Wechsel aus sehr kurzen Trendschüben und kurzzeitigen Korrekturen treffen, der in der Summe zu den fatalen Wellen führt. Nach dem Motto: »Der Trend ist dein Freund.« Ähnlich sieht es der Brite Adair Turner. Eine solche Steuer auf Finanzumsätze würde gerade jene Aktivitäten treffen, »die über das gesellschaftlich optimale Niveau hinaus aufgebläht wurden«.
    Nach Einschätzung von Schulmeister würde der gesamte Hochfrequenzhandel »sofort verschwinden«, wenn auf jeden Umsatz eine mäßige Steuer gezahlt werden müsste. Das würde auch die systemischen Risiken verringern, erklärt Sony Kapoor, ausgewiesener Experte

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