Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Finanzgeschäften Rendite zu machen (Ziel C). Und es würden Mittel frei für reale Investitionen. Vor allem fielen in der Industrie und anderswo die Kosten für Kursabsicherung – Geld, das ebenfalls stattdessen in neue Jobs und Fabriken gehen kann (Ziel E).
Selbst unsere Notenbanker könnten an Glanz wieder gewinnen, wenn sie nicht – wie seit Beginn der verstärkten Rohstoffkapriolen – immer wieder durch spekulativ steigende Kurse aufgescheucht wären, die sich im Nachhinein als Blase erweisen. Das hat Europas zappelige Währungshüter 2008 und 2011 gleich zweimal dazu verleitet, die Zinsen aus Inflationspanik anzuheben und die Finanzierung von Investitionen so zu verteuern. Um kurz darauf festzustellen, dass der Spuk spekulativ getrieben war – und sich der Trend ins Gegenteil verkehrte. Plötzlich lag der Ölpreis 2008 wieder unter 50 Dollar. Ein teurer Fehler. Auch solche Absurditäten könnten uns bei stabilisierten Rohstoffmärkten erspart bleiben. Was die Wirtschaft nur stützen kann und dank stabilerer Zinsen ebenfalls für mehr reale Investitionen sorgen würde (Ziel E).
Säule 5: Exzesse kontern – automatisches Krisenblockiersystem
Wenn Kurse steigen und alle bei der Party mitmachen, schwinden die gefühlten Risiken, Kredite zu vergeben: weil tolle Kurse die Bilanz der Bank verschönen – und die der Schuldner. Dann entstehen unbesorgt Kreditwellen – bis die Blase platzt und dies Bankbilanzen wie Solidität der Schuldner abrupt schlechter aussehen lässt. Allein weil der Kursrutsch die Vermögenswerte purzeln lässt. Dann geht die Spirale in umgekehrter Richtung los und zieht früher oder später selbst diejenigen aus der realen Wirtschaft mit, die solide dastanden und in lohnende Projekte investieren wollten – mit fatalen Folgen für Finanzsystem und Realwirtschaft, wie sich seit 2007 gezeigt hat.
Wenn es diese Art Prozyklik ist, die den Kern von manisch-depressiven Wellen an Finanzmärkten ausmacht, reicht es womöglich noch nicht, die Zahl der Beteiligten und den rein spekulativen Anteil der Finanzgeschäfte zu verringern, wie es eine höhere Transaktionssteuer und andere bisher erörterte Mittel tun würden. Dann gilt es, die Logik umzukehren – und Anreize zu setzen, in guten Zeiten Kredite und Verschuldungsgrade zu verringern, damit Banken sie in schlechten Zeiten auch mal ausweiten und allzu brutale Anpassungen abfedern können. So dass es idealerweise gar nicht erst zu Blasen kommt, die dann auch nicht mehr platzen können.
Einen Beitrag dazu könnte leisten, Finanztransaktionen künftig umso stärker zu besteuern, je gefährlicher der Überschwang an den Märkten ist (siehe auch Säule 1). Dann würde auf jeden Umsatz ein höherer Steuersatz erhoben, sobald eine hinreichende Zahl von Indizien darauf hindeutet, dass sich die Vermögenswerte blasenartig verteuern oder übermäßig auf Kredit finanziert wird. Dann müsste umgekehrt der Satz stark unter sein Niveau zu Normalzeiten gesenkt werden, wenn die Prozyklik nach unten losgeht – um so den Kollaps der Kreditversorgung zu verhindern.
Das beste Mittel gegen Trendverstärker wäre derweil, die Banken zu verpflichten, weit mehr Eigenkapital als bisher vorzuhalten – und diese Verpflichtung in guten Zeiten zur Vorsorge zu verschärfen; und sie dank angesetzter Puffer in Krisenzeiten zu lockern, um drohende Kreditklemmen zu vermeiden. Darin könnte Potenzial zum Wundermittel stecken – ein antizyklisches Anti-Krisenprogramm.
Verrückt, aber wahr: Bislang mussten Banken nur einen minimalen Teil ihrer Engagements durch eigenes Kapital decken, ob durch Ersparnisse aus Gewinnen oder durch Aktien. Nach dem alten Basel-II-Abkommen von 2004 reichten Rücklagen von zwei Prozent. Umso freier konnten Kredite aufgenommen und vergeben werden. Größenordungsvergleich: Im Schnitt lag die Eigenkapitalquote in der deutschen (Real-)Wirtschaft 2007 bei 25 Prozent, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau schätzt. Größere Konzerne wie Apple seien sogar so gut wie schuldenfrei, so Schuldenexperte Rogoff. Da liegt die Quote bei 100 Prozent.
Sprich: Eine Bank konnte fast das Fünfzigfache an Kredit und Fremdkapital aufnehmen – frei nach der Formel: je niedriger die Eigenkapitalquote, desto höher der Verschuldungsgrad. Was die Geldbetreiber ja auch nutzten – wie der Kreditboom von Bank zu Bank vermuten lässt. Sie konnten eine enorme Hebelwirkung nutzen, einen Leverage, wie es im Anglosprech heißt, und dank »hauchdünner
Weitere Kostenlose Bücher