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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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werden die nicht lange durchhalten. Da kommen bekanntlich dann ja auch die Experten, die Gründe finden, warum die Blase keine Blase ist. Und alle mögen dran glauben.
    Besser wäre, Automatismen zu schaffen, bei denen die Anforderungen nach vorher definierten Schwellenwerten variieren. So wie es eine Gruppe europäischer Experten um Charles Goodhart schon 2009 vorschlug. Das Ziel müsse sein, »eine Gegenkraft zum natürlichen Nachlassen der gemessenen Risiken in Boomzeiten« zu schaffen, so der Genfer Ökonom Charles Wyplosz – und zum Anstieg der Risiken im folgenden Kollaps. Das müsse so weit wie möglich nach festen Regeln geschehen. Nach Vorschlag der Experten müssten die Verantwortlichen einmal festlegen, welchen Anstieg der Bankkredite und welche Verschuldungsquote sie auf Dauer für vereinbar mit der Entwicklung der Wirtschaftsleistung halten – wissend, dass dieses Wachstum auf Dauer nicht ohne Weiteres höher sein kann (und sollte) als der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. Übertrifft das gesamte Kreditwachstum diesen längerfristig tragbaren Normalanstieg, würden die Eigenkapitalforderungen sofort steigen – fällt die Rate im Abschwung darunter, fallen auch die Anforderungen. 5
    Kombiniert man die Herausnahme realwirtschaftlicher Kredite mit dem antizyklischen Schwanken der Eigenkapitalquoten, käme ein treffsicheres und dennoch überschaubares System heraus, das mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Großteil der Exzesse aus dem Bankentreiben nähme. Dann würden, je nach Gewicht der reinen Finanzkredite im Geschäft einer Bank, die Eigenkapitalforderungen angehoben, wenn der Kreditboom insgesamt kritische Schwellen übertrifft – und umgekehrt bei drohender Kreditklemme gesenkt. Zudem bliebe die dämpfende Wirkung aus, wenn, sagen wir, ein Mittelständler einen Kredit braucht, um damit neue Maschinen zu kaufen. Dieser Kredit würde definitionsgemäß die Eigenkapitalanforderungen an die Bank nicht verändern – weil diese nur daran gemessen werden, wie viele Kredite innerhalb des Finanzsektors vergeben werden.
    Ein solches System würde mit einem einfachen Mechanismus genau da wirken, wo das Gros des prozyklischen Auf und Ab entsteht: bei der Finanzierung über Kredit von Bank zu Bank, von Finanzinvestor zu Finanzinvestor. Da mag die Trennlinie zwischen real angebundenen und reinen Finanzkrediten nicht immer unstrittig sein. Nur dürfte sich auch dieses Potenzial für gelegentliche Manipulation begrenzen lassen. Es ist zumindest kein Grund, deshalb auf die Unterscheidung zwischen und Gut und Tückisch zu verzichten.
    Warum sollte auf Kredite an einen Mittelständler oder Existenzgründer plötzlich viel mehr Eigenkapital eingefordert werden, wenn es hier gar keine Schuldenparty gegeben hat, die es nun zu stoppen gälte? Gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben deutsche Unternehmen lange nicht mehr so wenig in ihre Ausrüstungen investiert wie in den letzten zehn Finanzboomjahren.
    Auf feste Regeln zu setzen, hat den Vorteil, dass das Ganze weniger manipulierbar ist und nicht von schwächelnder politischer Bereitschaft torpediert werden kann, wenn die Party gerade so schön läuft. Umgekehrt müssen Aufseher in schlechten Zeiten auch den Mut haben, die Pufferanforderungen zu senken, heißt es zu Recht aus dem deutschen Bankenverband. Am Ende wird auch so eine Säule der neuen Finanzwelt nicht voll automatisch funktionieren können. Dafür gibt es zu viele mögliche Fälle, mit denen niemand vorher gerechnet hat. Da gibt es immer auch mal begründbare Ausnahmesituationen. Da wird es auf die Erfahrung und Intuition von Experten und Aufsehern ankommen, die im Sonderfall zu beurteilen haben, ob die Entwicklung schon blasenartige Züge annimmt oder nicht. Nur ist auch das nicht unmöglich, höchstens anspruchsvoll. Der Mix aus Regeln und menschlichem Ermessen macht’s.
    In Großbritannien gibt es jetzt ein Financial Policy Committee (FPC), dessen Mitglieder die Aufgabe haben, Risiken zu identifizieren, die sich im britischen Bankensektor entwickeln. Und dann eigens Gegenmaßnahmen beschließen dürfen, zu denen explizit auch der antizyklische Einsatz von Eigenkapitalanforderungen zählt – um sich so gegen exzessive Kredittrends zu stemmen. Das Parlament übertrage dem FPC zugleich die Mission, nicht nur die Banken zu bändigen, sondern auch Wachstum und Arbeitsplätze überhauptzu sichern, erklärt Adair Turner, einer der Hauptantreiber der Finanzreformen auf der Insel.
    Ganz vorsichtig geht es auch

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