Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
international schon in die Richtung. Nach den Basel-III-Regeln muss jede Bank künftig nicht mehr nur zwei Prozent Eigenkapital hinterlegen, sondern 4,5 Prozent. Dazu kommen noch 2,5 Prozent als Puffer. Und die Anforderungen sollen gegebenenfalls antizyklisch schwanken. Dazu müssen die Banken einen Puffer von nochmal 2,5 Prozent anlegen, wenn die nationalen Makro-Aufseher das für nötig halten, ähnlich wie es bei den Briten praktiziert werden soll. Manche gehen noch weiter. In der Schweiz soll das Eigenkapital der heimischen Großbanken bis 2018 sogar bei insgesamt 19 Prozent liegen – wie vom kurz darauf geschassten Notenbankchef Thomas Hildebrand gegen erbitterten Widerstand der heimischen Banken durchgesetzt.
Noch ist das die Ausnahme – und sicher auch nicht genug. »Die neuen Basel-III-Regeln sind bestenfalls ein winziger Schritt hin zu einer echten Veränderung«, urteilt Ken Rogoff. An die Arbeit! Noch haben die Banken gute Argumente gegen ein schnelles Verschärfen. Noch sind viele Bankbilanzen zu wackelig, sodass höhere Forderungen ans Eigenkapital jene Abwärtsspiralen aus schrumpfenden Krediten und Vermögenswerten auslösen würden, die in den 30er Jahren oder später in Japan so fatal wirkten – und die Lage am Ende nur verschlimmerten.
Nur darf das keine Ausrede sein, die höheren Anforderungen nicht früher oder später einzuführen, sobald das »Deleveraging« vorüber, sprich: die Schuldenlast aus der letzten Krise abgebaut ist, die Bankbilanzen stabilisiert sind und das Kreditgeschäft wieder einigermaßen normal funktioniert. Dazu gibt es in nationalen und Baseler Regelwerken Übergangsfristen. Auch dazu braucht man am Ende die Kompetenz und Intuition von Experten, um den richtigen Moment für die Umsetzung der Regeln zu finden.
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Ein besonders gewichtiger Fall von Finanzexzessen ließe sich über so ein System gleich mitbehandeln: das Auf und Ab an den Immobilienmärkten. Auf den ersten Blick scheint das Geschäft mit Häusernzwar eine stark reale Anbindung zu haben. Aber es gibt auch (und gerade) hier eine stark virtuelle Komponente – und somit häufig einen Wechsel zwischen Euphorie und Depression, bei dem die Erwartung steigender Preise reicht, um neue Käufer anzuziehen und die Preise weiter steigen zu lassen. Was ein Ursprung der Immobilienkrisen in den USA, Großbritannien und Spanien ist (und in Deutschland nach der Einheit war).
Auch von Häuslebauern oder -käufern ließe sich in kritischen Situationen mehr oder weniger Eigenkapital einfordern – je nach Überhitzungsgrad am Immobilienmarkt. Als Ausgleich für die mangelnde Selbstregulierung. Je länger der Boom anhält und das Volumen der Hausdarlehen über langjährige Schnitte hinaus wächst, desto höher fiele bei jedem neuen Immobilienkredit der geforderte Anteil eigener Mittel aus. »Mit derartigen Beleihungsgrenzen ließe sich jede Blase nach Belieben zum Platzen bringen«, sagt der exzellente Finanzmarktkenner Paul de Grauwe. Die Eigenkapitalforderung ließe sich im Extremfall so lange anheben, bis sich zu solchen Konditionen kaum einer mehr ein Haus finanzieren könne. Wobei es im Detail natürlich gut wäre, den nicht-spekulativen Hauskauf für Eigenbedarf zu verschonen.
Damit ließen sich selbst regional oder national begrenzte Blasen bekämpfen. Dass höhere Eigenmittelforderungen auch regional gut wirken können, habe sich in den USA gezeigt, sagt der Pariser Ökonom Jean-Paul Fitoussi. Anders als andere US-Bundesstaaten habe Texas daran festgehalten, dass für Häuserkäufe eine ordentliche Anzahlung gemacht werden muss (down payment). Und Zufall oder nicht: Bei den Texanern sei es auch zu keiner Immobilienkrise gekommen.
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Ein System antizyklisch schwankender Eigenkapitalforderungen könnte auch das Dilemma der Notenbanker lösen helfen: wenn es wieder einmal Inflation an Vermögensmärkten gibt, weshalb sie ihre Zinsen anheben müssten, die Preise in der realen Welt aber stabil sind und höhere Zinsen da schaden würden. Eine Kombination, die es nicht per Zufall seit Beginn der Finanzglobalisierung immerwieder gibt – und die im Kern daher kommt, dass Finanzmärkte sich so atemberaubend vom Rest der Wirtschaft abkoppeln können. Das Abkoppeln führt ja via Vermögenskonzentration sogar fast zwingend dazu, dass im Rest der Gesellschaft Geld und Kaufkraft fehlen.
In der Vergangenheit blieb den Währungshütern nichts anderes übrig, als sich für eins zu entscheiden: entweder die Zinsen anheben, um
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