Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Eigenkapitalquoten«, so Rogoff, mit wenig eigenen Rücklagen enorm Schulden machen.
All das war nur vertretbar unter der schönen Annahme, dass Banken wie von selbst Vermögen schaffen, indem sie die Kreditspiralefür immer neue Geschäfte weiter drehten. Was lange normal zu sein schien – und heute verrückt, wo die Blase geplatzt ist.
Warum sollten Banken nicht ebenso viel eigene Mittel vorhalten müssen, wie es solide geführte Industriekonzerne tun? »Warum sollen Kreditinstitute nicht 20 oder 30 Prozent Eigenkapital vorhalten?«, sagt der frühere IWF-Chefökonom Simon Johnson. So oder ähnlich sieht es heute das Gros der Kritiker – ob Leute wie Ken Rogoff und Thomas Philippon oder führende Geldtheoretiker wie Charles Goodhart und deutsche Sachverständige wie Volker Wieland und Lars Feld.
Deutlich höhere Quoten würden ganz automatisch und per Definition verhindern, dass sich Schulden und Geld der Banken in guten Zeiten mirakulös vervielfachen können. Dann muss jeder weitere Kredit auch viel stärker durch erwirtschaftete Gewinne gedeckt sein. Und dann wird es endlos schwerer, auf Kredit in Euphoriewellen einzusteigen. Dann gebe es bei den betreffenden Banken auch größere Polster aus eigenen Mitteln, um in Krisenzeiten Verluste aufzufangen, so Rogoff. Das würde gegen sich selbst verstärkende Abwärtsspiralen schützen.
Jetzt haben solche Eigenkapitalquoten, die aufs gesamte Geschäft einer Bank berechnet werden, die Tücke, dass die Bank zur Einlösung (auch) jenes Kreditgeschäft einschränken kann, das gar nicht überzuschäumen droht – und Investitionen in Fabriken, Büros und Arbeitsplätze finanzieren soll. Boomende Vermögenswerte fallen eben nicht zwingend mit boomenden realen Engagements zusammen. Das wäre das Gegenteil von dem, was gewollt ist. Zum zweiten bergen solche Quoten noch das Risiko, dass die gefährlichen Selbstverstärker weiter wirken – nur auf (mittlerweile weit) niedrigerem Kreditniveau. In guten Zeiten würden die (höheren geforderten) Eigenkapitalquoten nach wie vor einfacher erreicht, weil die überschießenden (Aktien-)Kurse – nach Marktwert bemessen – auch die Eigenkapitalausstattung hübscher aussehen lassen. Und umgekehrt.
Gegen beide Tücken lässt sich nur angehen, wenn zum einen die (guten) Kredite für realwirtschaftliche Investitionen von der grundsätzlichen Verschärfung ausgenommen werden und zum anderendie Höhe der geforderten Eigenmittel möglichst automatisch mit dem Ausmaß der Blasengefahr an den Finanzmärkten schwankt.
Für eine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Krediten gibt es, wie wir gesehen haben, triftige Gründe. Das Problem exzessiver Schulden liegt nicht im Geldverleih an die Unternehmen – die absurde Spirale drehte sich fast ausschließlich innerhalb des Finanzclubs.
In der Praxis wäre eine solche Unterscheidung machbar, wie Banker einräumen – auch wenn die Grenzen manchmal fließend sind. »Jede Bank weiß sehr gut, ob sie einen Kredit für eine realwirtschaftlich relevante Investition an einen Mittelständler vergibt – oder das Geld zur Finanzierung neuer Finanzgeschäfte genutzt wird«, sagt Dirk Bezemer von der Universität Groningen. Es gebe Notenbanken, die bis ins Detail aufschlüsseln könnten, für welche Branchen und welchen Zweck Kredite vergeben werden. Davon könnten andere lernen. Und eine Transaktionssteuer würde, wie gesagt, auch hierbei helfen.
Nicht viel komplizierter ist es, die Quoten je nach Lage schwanken zu lassen. Wenn die Finanzjongleure bei zunehmender Euphorie vorschriftsgemäß umso mehr Eigenkapital vorhalten müssen, sammeln sie zum einen besagte Polster für schlechte Zeiten, zum anderen bremsen die steigenden Quoten automatisch den Eifer, immer neue Kredite zu vergeben, wie es die Banker angesichts der allgemeinen Euphorie und bei steigenden Vermögenskursen in solchen Situationen zu tun versucht sind. Pro Euro Eigenkapital darf es jetzt weniger Kredit geben. So weit, so gut.
Bleibt nur zu klären, wann und wie die Eigenkapitalquoten steigen und wieder sinken. Die kollektive Logik von Euphoriewellen spricht dagegen, dies Politikern oder Aufsehern zu überlassen. Weil es halt schwer ist, inmitten solcher kollektiven Wellen zu ermitteln, wann genau die Schwelle zur Übertreibung überschritten ist. Und weil es für Politiker kaum auszumalende psychische Belastungen mit sich brächte, in einer so schönen (Finanz-)Party aufzustehen und die Sause für beendet zu erklären. Das
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