Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
den Monaten vor dem Höhepunkt im März 2000 erhöhten die Jungspunde den Anteil der Tech-Werte in ihrem Portfolio wie wild. Die Älteren blieben dagegen cool und hielten den Anteil der hippen Aktien selbst im kollektiven Rausch etwa konstant. Ein Ergebnis, das auch bei Experimenten mit Testpersonen heraus kam.
Mehr noch: Nach Auswertung der beiden Ökonomen tendierten die Jüngeren dazu, vor allem dann Technologiewerte zu kaufen, wenn in den Wochen zuvor deren Kurse gestiegen waren – was die alten Hasen nicht taten. »Die Jungen waren offenbar Trendjäger«, sprich: diejenigen, die der Herde hinterher liefen. Was sie ebenso reflexartig taten, als 2000 der Trend plötzlich nach unten ging. Fielen die Kurse, folgte bei den Jungen ein Verkaufsschub, den es bei den Älteren ebenfalls so nicht gab.
Die Auflösung liegt nahe. Wer noch keinen Crash und seine (bitteren) Konsequenzen miterlebt hat, ist anfälliger für den kollektiven Optimismus, der Finanzblasen entstehen lässt. Was wiederum miterklären könnte, warum ein paar Jahrzehnte nach dem Crash von 1929 so viele Menschen ganz naiv toll finden konnten, die armen Finanzmärkte endlich von ihren Fesseln zu befreien. Der Befund deckt sich mit dem Image, das 30 Jahre Finanzglobalisierung geformt haben: dass an der Wallstreet schnittige Yuppies in Sekunden Milliarden hin- und herschieben – und schnell mal ein Milliönchen für die Haushaltskasse machen.
Die wissenschaftliche Bestätigung hat es gleich mehrfach in sich. Wenn die Alten dem Herdentrieb so messbar robust widerstehen, fragt sich, ob das Grunddrama der Finanzglobalisierung nicht auf einen Schlag lösbar wäre: durch Einführung eines Mindestalters – oder durch eine Art Führerschein, für dessen die angehenden Banker genug schlechte Erfahrungen mit Finanzanlagen nachweisenmüssen. Alternativ ließe sich so eine Befähigung auch an der Kenntnis der größten Finanzcrashs der Menschheit festmachen. Oder durch das morgendliche Aufsagen der schlimmsten Opfer von Bankenkrisen erlangen. Warum nicht auch bei erneutem Fehlverhalten nachschulen, einen Idiotentest verlangen?
Experimente des brillanten Verhaltensökonomen Dan Ariely bestätigen, dass Menschen dazu neigen, sehr viel vorsichtiger mit Geld umzugehen, wenn sie Münzen und Scheine ausgeben, statt es nur virtuell auszugeben. Was noch eine Idee mit sich bringt: Wer an Finanzmärkten mit großen Summen handelt, sollte jeden Auftrag immer teils auch bar abwickeln. Das fördert die Vernunft.
Eine altersgerechte Reform hätte nur einen logischen Haken. Wenn wir das Mindestalter anheben, kommen (etwas später) immer noch Leute auf den Markt, die vorher – weil sie ja nicht durften – nie persönlich erfahren haben, was es für die Vermögensführung bedeutet, wenn plötzlich Euphorie in Panik kippt; und wie schnell man sein Geld da wieder los ist. Das müsste durch theoretische Unterrichtung vorab aufgefangen werden.
Menüwahl für mutige Reformer
Wer zur Beratung zu seiner Bank geht, muss in der Regel ein Formular ausfüllen, auf dem ermittelt wird, welcher Typ Anleger man ist. Wer eher vorsichtig ist, kriegte früher Staatsanleihen empfohlen, gelegentlich auch griechische. Da gibt es, sagen wir, auch Modeerscheinungen. Und für den, der sich eher risikobereit zeigte, gab es dann ein schönes Derivat ins Depot.
In Analogie ließe sich verfahren, wenn es einzustufen gilt, wie konservativ oder risiko- und konfliktbereit eine Regierung dabei ist, den Bankenirrsinn wieder zurückzuschrumpfen. Für den konservativen Typen, der zwar reformieren, seinen Banker dabei aber auch nicht verärgern möchte, käme dann ein Mix heraus, zu dem gehören könnte, zögerlich ein bisschen Transaktionssteuern einzuführen, gelegentlich vielleicht verbal gegen Kurskapriolen an den Devisenmärkten zu intervenieren, die Europäische Zentralbank ruhigdamit drohen zu lassen, notfalls viele Staatsanleihen aufzukaufen und auch die Eigenkapitalquoten der Banken um ein paar Pünktchen anzuheben.
Damit wären die meisten Banker wahrscheinlich sofort einverstanden, die Harmonie für künftige Geburtstagsfeiern wäre gewahrt. Es kann allerdings sein, dass sich die Finanzwelt dadurch nicht fundamental ändert, um es vorsichtig auszudrücken. Zwar wären die Ausschläge und Wellen weniger stark, die Eskalation von Krisen an Staatsanleihemärkten ließe sich in letzter Minute abwenden. Und die Banken würden nicht mehr so viele Kredite untereinander vergeben, weil sie etwas mehr
Weitere Kostenlose Bücher