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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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individualistischer Erklärungsansatz für die Unersättlichkeit des Menschen fokussiert auf die inhärente Knappheit bestimmter Güter. Urlaub in Spitzenhotels, parkähnliche Gärten und viele andere gleichermaßen rare Dinge sind nicht allen in einer Gesellschaft zugänglich, gleichgültig wie reich sie sein mögen. Eine eskalierende Nachfrage trifft auf ein fixes Angebot. Was einen kontinuierlichen Anstieg des Preises solcher Güter relativ zu den Durchschnittspreisen zur Folge hat und sie dadurch dauerhaft dem Zugangsbereich gewöhnlicher Einkommen entzieht. Doch statt sich mit dieser unschönen Tatsache abzufinden, streben die Menschen unablässig nach dem Besten, was der Natur der Sache nach niemals alle haben können. Hierbei handelt es sich demnach um eine wichtige Quelle der Unersättlichkeit.
    In einem Aufsatz, mit dem er implizit die rosige Vision seines Meisters kritisierte, bezeichnete Keynes’ Schüler Roy Harrod solche inhärent knappen Güter als »oligarchisch«.[ 27 ] Ein klassisches Beispiel sind alte Meister. Alle bedeutenden alten Gemälde, die es gibt, sind bereits produziert worden; das Angebot an alten Meistern kann nicht ausgeweitet werden. Zugegebenermaßen, jedermann kann in einem Museum einen Blick auf sie werfen. Und das ist auch die »demokratische« Lösung zu diesem speziellen Problem. Doch was die individuelle Befriedigung angeht, ist die Zugangsbeschränkung durch den Preis – das Beste, was erschaffen wurde, zur exklusiven Bewunderung im eigenen Zuhause zu besitzen – der Rationierung per Warteschlange deutlich überlegen.
    Oligarchische Güter müssen nicht materiell knapp sein. Sie können auch »gesellschaftlich knapp« sein, sprich durch ihre Multiplikation werden die Eigenschaften zerstört, die sie überhaupt erst erstrebenswert gemachthaben. »Unverdorbene« Urlaubsziele sind nur »unverdorben«, solange der Zugang zu ihnen beschränkt ist. Harrod schrieb:
    Ein junger Mann mag den Ehrgeiz haben, dass er, wenn er einmal reich ist, im elegantesten Teil von New York leben, gute Plätze bei den angesagten Stücken und Opern haben, in die heißesten Nachtclubs gehen […] und die besten zeitgenössischen Künstler erleben wird. So er zu oligarchischem Reichtum kommt, kann er alle diese Dinge auch bekommen, aber demokratischer Reichtum wird sie niemals erreichen. Solange eine ungleiche Einkommensverteilung fortbesteht, werden die wirklich reichen Leute diese raren Güter so teuer machen, dass sie für den Geldbeutel des Durchschnittsreichen unerreichbar bleiben.
    Harrod zog eine weitere Schlussfolgerung: Nur eine Minderheit der Reichen kann sich die Beschäftigung von Dienstpersonal leisten und somit auch den Unterhalt »großer Wohnanwesen, privater Parks und Gartenanlagen, Stallungen […] und Yachten«, die alle das Vorhandensein einer dienenden Klasse voraussetzen. Doch je gleichmäßiger der Wohlstand verteilt ist, umso weniger Dienstboten werden verfügbar und bezahlbar sein. Keine noch so arbeitssparende Erfindung kann das Verschwinden des privaten Dienstspersonals aufwiegen, das für ein kultiviertes Dasein unabdingbar ist.
    Der Ökonom Fred Hirsch etikettierte Harrods »oligarchische« Güter in »positional« um, da der Zugang zu ihnen nicht von unserem absoluten Reichtum abhängt, sondern von unserer
Position
relativ zu den anderen. Wie die Podestplätze in einem Turnier können positionale Güter ihrer Natur nach nicht von allen gewonnen werden.[ 28 ] Sie werden, unabhängig vom allgemeinen Wohlstandsniveau, stets von den Reichsten in einer Gesellschaft abgeschöpft. Der Wettstreit darum, sie zu besitzen, wird demnach nie nachlassen. Im Gegenteil, mit wachsendem Wohlstand wird er sich noch verschärfen, da ein stetig größerer Anteil der Haushaltseinkommen für positionalen Konsum verfügbar wird. Die Tatsache, dass es positionale Güter gibt, lässt Keynes’ Traum von einerGesellschaft, in der jedermann »genug« hat, platzen. Denn selbst wenn jeder die erforderlichen 500 Pfund pro Jahr beziehungsweise den heutigen Gegenwert davon verdienen würde, würden (logischerweise) nicht alle in den schönsten Häusern wohnen oder auf den besten Plätzen in der Oper sitzen können.
    Eine dritte individualistische Erklärung der Unersättlichkeit rückt das Bild der Ökonomen vom Menschen als einem rationalen Nutzenmaximierer in den Mittelpunkt. Die Pionierarbeit hier leistete der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Gary Becker.[ 29 ] Keynes betrachtete Muße als ein

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