Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
New Politics of Consumption« (Auf dem Weg zu einer neuen Konsumpolitik) ausdrückt: »Es mag durchaus einen wirtschaftlichen Weg mit weniger Arbeit und weniger Gütern geben, den die Menschen mit viel Arbeit und viel Konsum lieber hätten. Aber wenn diese Option blockiert ist, kann die Tatsache, dass wir viel kaufen, nicht länger
per se
als Beweis für natürliche Konsumentenbedürfnisse verstanden werden. Vielleicht greifen wir nur nach dem, was uns angeboten wird.«[ 24 ] Mit anderen Worten: Wir passen unsere Vorlieben an, und am Ende wollen wir, was wir bekommen, statt zu bekommen, was wir wollen.
Die Darstellung der politischen Linken, wie es sich mit der Abwägung Einkommen gegen Freizeit verhält, ist nicht ganz überzeugend. Man kann nicht bestreiten, dass die Medianeinkommen seit den 1980er-Jahren den Durchschnittseinkommen hinterherhinken, und diese Tatsache allein erklärt schon weitgehend, warum die Arbeitszeiten seitdem nicht kürzer geworden sind. Noch weniger plausibel ist die marxistische Sicht der Konsumwünsche. Selbst wenn Konsumwünsche sich von echten Bedürfnissen unterscheiden, sind sie nicht ganz unabhängig davon – es ist nicht so, dass der »Produktionsapparat« oder ein anderes, ähnliches Monster sie uns einfach »einflößen« kann. Wer das behauptet, spricht den Einzelnen jede Handlungsfreiheit ab, macht sie zu Ameisen oder Drohnen. Der marxistische Soziologe André Gorz tat das offenbar, als er über die Situation des Individuums im Kapitalismus schrieb: »Nicht ›ich‹ handele, sondern die automatisierte Logik der gesellschaftlichen Einrichtungen handelt durch mich als Anderer.«[ 25 ] Werbung kann Begierden gestalten, aber nicht aus dem Nichts erzeugen. (Zum Beispiel kann uns Werbung nicht einfach so dazu bringen, Hundescheiße zu kaufen, außer es gelingt ihr, sie mit einem anderen Objekt unseres Begehrensin Verbindung zu bringen.) Es muss bereits eine entsprechende Neigung in der menschlichen Natur vorhanden sein, bei der die Werbung ansetzen kann; ansonsten wäre ihre Herrschaft über uns rätselhaft.
Strukturelle Erklärungen, warum die Arbeitszeit nicht kürzer geworden ist, reichen deshalb nicht aus. Wir müssen darüber hinaus die Natur menschlicher Begierden und Befriedigungen untersuchen.
Unersättlichkeit
Keynes ging davon aus, dass wir »genug haben«, dass unsere materiellen Bedürfnisse gesättigt werden könnten. Was aber, wenn sie unersättlich sind? Mit Unersättlichkeit meinen wir hier, was im Wörterbuch steht: ein dauerhaftes, durch nichts zufrieden stellendes Verlangen nach mehr, als man hat. »Diese ›romantischen‹ Jaipur-Zelte [Preis: 3800 Pfund] erschaffen auch in Ihrem Garten exzellenten zusätzlichen Unterhaltungsraum«, heißt es in einer Werbung, deren Zielgruppe Menschen sind, »die alles haben«.[ 26 ] Die Frage ist: Warum wollen Leute, die »schon alles haben«, offenkundig immer noch mehr?
Diese Frage zu beantworten, gibt es zwei Ansätze, deren erster mit der Frage nach der Natur des menschlichen Begehrens
in Isolation
beginnt, während der zweite es in Beziehung zu dem ihrer Mitmenschen betrachtet. Zugegeben, der Gegensatz zwischen beiden Ansätzen ist ein weitgehend künstlicher. Begierden sind individuell; die Art und Weise aber, in der sie ausgedrückt, in der sie ermutigt oder unterdrückt werden, ist sozial. Auf welche erklärende Variable der Untersuchende das Hauptgewicht zu legen entscheidet, hängt weitgehend davon ab, ob er die Eigenschaften der individuellen Psychologie erkunden möchte oder ob er diese Eigenschaften als gegeben akzeptiert und vor allem ihre Auswirkungen auf das soziale Verhalten im Auge hat.
Ein gutes Beispiel für den individualistischen Ansatz ist Tibor Scitovskys 1976 erschienenes einflussreiches Werk
The Joyless Economy
. Nach Scitovsky entsteht Unersättlichkeit schlicht und einfach aus
Ruhelosigkeit.
Wir
langweilen
uns mit dem, was wir haben. Die Befriedigung aller Bedürfnisse und die Ausmerzung aller Unannehmlichkeiten erzeugtnicht etwa einen Zustand der zufriedenen Ruhe, sondern einen der Unzufriedenheit, der durch etwas Neues behoben werden muss, wie ein Jucken, das durch Kratzen gelindert werden will. Mit dem Wohlstand nimmt auch die Langeweile zu und führt zu einer immer hektischeren Suche nach stimulierenden Erfahrungen. Wir sind unserer Natur nach niemals mit dem zufrieden, was wir haben, und so mühen wir uns weiter ab, unsere übersättigten Sinne zu stimulieren.
Ein zweiter
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