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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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lösen. Er sah keine Möglichkeit, wie sich die Unausweichlichkeit der kapitalistischen Apokalypse beweisen ließ, nach der sein biblischer Sinn für Gerechtigkeit so heftig verlangte.
    Die verständlichste Darlegung von Marx’ dialektischem Ansatz ausder Zeit, bevor er sich der Ökonomie zuwandte, findet sich in der gedrängten, explosiven Prosa des
Manifest der Kommunistischen Partei
von 1848. Niemand hat den faustischen Charakter des Kapitalismus eindringlicher geschildert als Marx.[ ** ] Die Bourgeoisie hat, schreibt Marx, nicht nur »massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen«,[ 30 ] sie reißt »auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation [und] schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde«.[ 31 ] Die Kosten dafür aber sind horrend: »Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neu gebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht […]«[ 32 ]
    Marx wies als erster Ökonom der Destruktivität des Kapitalismus das ihr gebührende moralische Gewicht zu. Zwar sah auch er, wie vor ihm Adam Smith und Goethe, darin den notwendigen »Preis« des Fortschritts. Doch weil er sieben Jahrzehnte nach Beginn der industriellen Revolution schrieb, war ihm bewusst, dass sowohl der Fortschritt weitaus größer wie auch der dafür zu entrichtende Preis weitaus höher ausfallen würden, als seine Vorgänger das noch angenommen hatten. Nichtsdestotrotz, von Marx’ dialektischem Standpunkt aus ist die Auflösung »fester eingerosteter Verhältnisse« historisch gerechtfertigt, weil der Kapitalismus durch die Brutalität, mit der er das menschliche Potenzial freisetzt, eben die Waffen und die Klasse hervorbringt, die ihn zerstören werden.
    Doch an diesem Punkt im
Kommunistischen Manifest
reißt der argumentative Faden und wird durch Rhetorik ersetzt. In einem Nachhall auf Mary Shelleys Roman
Frankenstein
vergleicht Marx den Kapitalismus mit »dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nichtmehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor«.[ 33 ] Mit anderen Worten, die Bourgeoisie »produziert […] ihre eigenen Totengräber.«[ 34 ] Auch wenn die Geschichte seine Erwartungen wiederholt enttäuschte, verlor Marx niemals seinen Glauben an den apokalyptischen Moment des Kapitalismus, und noch 20 Jahre nach Erscheinen des
Kommunistischen Manifests
prophezeite er in
Das Kapital
nachdrücklich: »Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.«[ 35 ]
    Die Überzeugung, dass der Kapitalismus dem Untergang geweiht ist, war zu Marx gekommen, bevor Marx zur Ökonomie gekommen war. Nach dem
Kommunistischen Manifest
verbrachte er 20 Jahre im Britischen Museum in London mit dem Versuch, seine These zu beweisen – ohne Erfolg. Genau genommen, war er kein sonderlich intuitiver Wirtschaftswissenschaftler. Das ist niemand, der im Alter von 40 Jahren mit der Ökonomie beginnt. Man hat dann einfach zu viele andere Dinge im Kopf. Ökonomen müssen unbefleckt von jeglichen ablenkenden Vorstellungen an den Start gehen. Ihr Geist muss ausreichend leer sein, damit sie darin diese axiomatischen Modelle des menschlichen Verhaltens konstruieren oder zumindest akzeptieren können, die später einmal ihr täglich Brot sein werden. Die späte Adoleszenz ist der ideale Zeitpunkt, ein solches Training zu beginnen.
    Marx entwarf zwei mögliche Szenarien für den Zusammenbruch des Kapitalismus, erstens eine »Rentabilitätskrise« und zweitens eine »Realisierungskrise«. Die erste – und von Marx am besten entwickelte – Form der Krise basiert auf der Ausbeutungstheorie, die aus seiner mit Ricardo geführten Auseinandersetzung hervorging. Indem die Kapitalisten, argumentierte Marx, den Arbeitern bis auf ihre Arbeitskraft alles wegnahmen, konnten sie aus ihnen mehr Wert extrahieren, als sie ihnen für ihre Arbeitskraft bezahlten. Dieser Unterschied repräsentierte den »Mehrwert«, die Quelle der Profite. Daraus schien zu folgen, dass in dem Maße, wie Maschinen (denen man nicht weniger bezahlen konnte, als ihre Anschaffung und ihr Betrieb kosteten) die menschliche Arbeit im Produktionsprozess ersetzten, die Profitrate fallen musste. Die Versuche,den Mehrwert durch eine höhere »Ausbeutungsrate« stabil zu halten, würden schlussendlich das geknechtete Proletariat zu

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