Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
Vom Netzwerk:
zwar mit dem Blick darauf, sie für die Zwecke des Menschen auszubeuten. »Wissen und Können fällt bei dem Menschen in Eins«, verkündete Bacon in seinem Hauptwerk
Neues Organon
, »weil die Unkenntnis der Ursache die Wirkung verfehlen lässt.« Marlowe, der an diesem Unterfangen etwas Teuflisches wahrnahm, warf ein faustisches Leichentuch über Bacons Projekt, das es zumindest in Europa niemals wieder ganz abstreifen konnte.
    Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Faust in Goethes klassischen Nachdichtungen (1808 und 1832) zu einem Sinnbild des ewig sich mühendenmodernen Menschen geworden, fehlbar, aber schlussendlich der Liebe wert. Goethes
Faust
lässt sich als literarischer Ausdruck der
felix culpa
der politischen Ökonomie begreifen. Gott schickt der Menschheit (Faust) den Teufel (Mephistopheles), um sie aus ihrem Schlaf zu erwecken. Mithilfe von Mephistopheles stellt Faust zwar allerlei furchtbare Dinge an, am Ende aber findet seine Seele Eingang in den Himmel, denn »wer immer strebend sich bemüht«, der kann erlöst werden. Fausts Erhebung aus dem Stand des verruchten Schurken in den des welthistorischen Helden spiegelt den Niedergang der christlichen Orthodoxie sowie der von ihr gepredigten absoluten Verneinung des Bösen wider – und lockt mit der häretischen Vorstellung, im Umgang mit dem Teufel könnten
wir
diejenigen sein, die den Sieg davontragen.
    Goethes erste Neuerung besteht darin, sein Stück mit einem »Prolog im Himmel« zu eröffnen, in dem Gott dem Teufel, also Mephistopheles, sein Problem darlegt. Die – nach Gottes Antlitz erschaffene – Menschheit hat das Zeug zum Fortschritt, ist aber von Natur aus faul und wenig wissbegierig: »Der Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, / Er liebt sich bald die unbedingte Ruh«. Gott bietet Mephistopheles also einen Handel an: Er darf auf dieser Welt bleiben, statt geradewegs in den »Staub« geworfen zu werden, in den der Gott der Genesis die Schlange verbannt hat, solange er die Menschheit tätig hält. Mephistopheles sieht seine Chance, die Menschheit für ein Leben der sündigen Lust zu gewinnen. »Mir ist für meine Wette gar nicht bange«, sagt er zu Gott voller Zuversicht, Gottes Diener Faust vom rechten Weg abbringen zu können. Goethes zweite Neuerung besteht darin, aus Fausts traditionellem Pakt mit Mephistopheles eine Wette zu machen. Anstelle der herkömmlichen Frist von 24 Jahren bietet Mephistopheles Faust seine Dienste auf unbegrenzte Zeit hinaus an und das Recht, ihn jederzeit zu rufen, sollte Faust daran Gefallen finden. Faust akzeptiert die Wette in dem sicheren Wissen, dass ein Leben von Lust, Luxus und Macht, wie es Mephistopheles ihm anbietet, ihn niemals ganz und gar zufrieden stellen wird. Er sagt zu Mephistopheles, sollte er, Faust, jemals verkünden, mit den Dingen, wie sie sind, zufrieden zu sein, so würde er die ewigeVerdammnis akzeptieren: »Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn! / Dann mag die Totenglocke schallen, / Dann bist du deines Dienstes frei, / Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, / Es sei die Zeit für mich vorbei!« Mephistopheles akzeptiert die Bedingungen der Wette, und Faust stürzt sich in sein neues Leben: »Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss, / Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss.«[ 22 ]
    Im restlichen
Faust
werden die Konsequenzen des doppelten Handels ausgearbeitet. Das Thema der
felix culpa
dominiert die Handlung, insofern jedes von Fausts Verbrechen eine Vorbedingung für eine Verbesserung in seinem Charakter darstellt. Im ersten Teil sieht sich Faust von seiner Liebe zu Gretchen, einem einfachen Bauernmädchen, verlockt, den »Zeiger fallen« zu lassen. Doch Mephistopheles, der seinen Aufenthalt auf der Erde gerne verlängern möchte, sabotiert die Liebesbeziehung, indem er Faust jede Frau anbietet, nach der ihm begehrt. Als Gretchen durch eine Verkettung von vom Teufel inszenierter Unglücksfälle den Tod findet, gelobt Faust, sich ihrer Liebe als würdig zu erweisen: Ohne Sünde kann es keine Erlösung geben.
    Das Konzept der
felix culpa
durchzieht auch den zweiten Teil der Tragödie, in dem Goethe das magische und fantastische Material von Marlowes Stück zu einer Entwicklungsgeschichte verarbeitet. Mehrere Jahre nach Gretchens Tod trifft Faust am Hof des Kaisers ein. Statt aber nun zur Belustigung des Kaisers den Geist Alexanders des

Weitere Kostenlose Bücher