Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
sind – das heißt aus hinreichend großen und repräsentativen Stichproben stammen –, würden wir immer noch daran zweifeln. Wir würden vermuten, dass die Teilnehmer der Umfrage unehrlichwaren oder sich getäuscht oder die Frage missverstanden haben. Wir würden nicht von dem abrücken, was wir alle über die Bedingungen von Glück wissen.
Das ist der Knackpunkt. Umfragen zu Glück sind zweifelhaft, einmal wegen der oben erwähnten Unklarheiten bei der Formulierung und den Messmethoden, darüber hinaus und grundsätzlicher aber auch, weil wir keine zuverlässigen Experten für unser eigenes Glück sind. Deshalb erfordern die Daten eine externe Validierung, entweder in Gestalt formeller Korrelationen oder durch unsere Intuition, wie glücklich Menschen sind. Aber wenn sie so validiert werden, scheiden sie als redundant aus. Ihre Funktion scheint im Wesentlichen zeremonieller Natur zu sein: Sie erteilen den Annahmen des gesunden Menschenverstands den Segen der Wissenschaftlichkeit.
Sind Umfragen zu Glück also nutzlos? Nicht ganz. Sie können zwar unser intuitives Verständnis, was Menschen glücklich macht, nicht vollkommen über den Haufen werfen, aber sie unterfüttern bestimmte Punkte, die unsicher und vage sind, mit Fakten. Zum Beispiel wird manchmal behauptet, Homosexuelle seien weniger glücklich als Heterosexuelle. Umfragen zeigen aber, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen gibt.[ 21 ] Das klingt interessant, aber beachten Sie, dass wir das Ergebnis nur deshalb akzeptieren, weil unsere Erfahrung nicht widerspricht. (Würden Schwule in der Regel mit langen Gesichtern herumlaufen und viel trinken, wären wir eher skeptisch.) In ähnlicher Weise können uns Umfragen helfen, die verschiedenen Ursachen von Glück und Unglück nach ihrer Wichtigkeit in eine Reihenfolge zu bringen, soweit eine solche nicht sowieso schon offensichtlich ist. Wir wissen zum Beispiel alle, dass Arbeitslosigkeit Menschen unglücklich macht, aber es ist interessant zu erfahren, dass sich Arbeitslosigkeit noch stärker auswirkt als eine Scheidung.[ 22 ] Und schließlich können Umfragen zu Glück an Orten nützlich sein, wo es schwierig oder teuer ist, Informationen über Lebensbedingungen zu bekommen. Aber sofern die Statistiken zu Gesundheit, Beschäftigung, Bildung, Ehen und so weiter ziemlich verlässlich sind wie in Großbritannien und den meisten anderenIndustrieländern, gibt es keinen Grund, sich nicht direkt auf sie zu beziehen und einen Umweg über das Glück einzuschlagen. Den direkten Weg nehmen wir in Kapitel 6.
Bei internationalen Vergleichen machen die oben erwähnten kulturellen und sprachlichen Unterschiede Schlussfolgerungen sehr unsicher. Selbst der berühmte Vorkämpfer der ökonomischen Glücksforschung Derek Bok hat zugegeben, »Versuche, das durchschnittliche Wohlbefinden in unterschiedlichen Ländern zu vergleichen, sollten mit einiger Vorsicht betrachtet werden«.[ 23 ] Es ist kein Zufall, dass Menschen in Simbabwe und Haiti sich als weniger glücklich einstufen als Briten; das hätten wir wohl so vorausgesagt. Aber wir sollten uns keine Sorgen machen wegen der höheren Zufriedenheit der Dänen und keine schlaflosen Nächte damit verbringen, das Geheimnis ihres Erfolgs zu ergründen. Der Versuch, eine »nationale Gesamtrechnung des Wohlbefindens« zu erstellen als Ergänzung oder Konkurrenz zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, ist ein sinnloses Unterfangen.[ 24 ] Wir dürfen nicht vergessen, dass solche Rechnungen nur das messen, was die Menschen über ihr Glück sagen; sie messen nicht Glück an sich und können das auch gar nicht.
Ethische Probleme
Nehmen wir einmal an, die oben beschriebenen methodischen Probleme könnten überwunden werden. Nehmen wir weiter an, wir besäßen ein unfehlbares Instrument, um Glück zu messen, ein Super-Hedonimeter. Können wir dann mit dem Projekt fortfahren, Glück zu maximieren? Die Antwort lautet nein. Glück, wie es die ökonomischen Glücksforscher verstehen, ist ganz unabhängig von Messproblemen kein geeignetes Ziel für die Politik, aus dem einfachen Grund, dass es nicht automatisch gut ist. Glück zu einem Ziel der Politik zu machen, eröffnet die beunruhigende Aussicht auf »Glückstechnologie«, wie der LSD-Guru Timothy Leary das genannt hat.
Was verstehen ökonomische Glücksforscher unter Glück? Wenige denken darüber länger nach. Yew-Kwang Ng, ein führender Vertreterdieser Forschungsrichtung, gibt sich damit zufrieden, Henry
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