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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Versuch, diese alte Weisheit in Zahlen zu gießen und in Formeln und Schaubildern auszudrücken. Anscheinend können wir uns nicht zugestehen, etwas zu wissen, wenn wir nicht Brief und Siegel der Wissenschaft dafür haben. Diese Form der Selbstvergewisserung ist aus zwei Gründen gefährlich: Erstens übertreibt sie den Nutzen von Umfragen zum Glück, und zweitens verlangt sie, dass wir dem Glück an sich einen unbedingten Wert zumessen, unabhängig davon, dass wir über sehr verschiedene Dinge glücklich sein können. Schauen wir uns diese beiden Irrtümer nacheinander an.
Messprobleme
    Betrachten wir noch einmal Schaubild 6. Die hartnäckig flache Kurve müsste die Glücksforscher mehr stören, als sie es tut. Denn sie impliziert nicht nur, dass steigende Einkommen keine Auswirkung auf das Glück haben, sondern auch, dass die tief greifenden sozialen Veränderungen in Großbritannien in den letzten 30 Jahren
allesamt keinen
Effekt hatten. Andere Länder, für die ähnliche Daten erhoben wurden, einschließlich USA und Japan, zeigen das gleiche Muster. Eine der beiden Aussagen muss zutreffen: Entweder hängt Glück sehr wenig von Veränderungen in der sozialen Umwelt ab, oder die Glücks
messung
reagiert kaum auf Veränderungen beim Glücksempfinden. Beides ist für die Glücksforscher nicht sehr angenehm.
    Es gibt Gründe anzunehmen, dass das Problem damit zusammenhängt, wie Glück gemessen wird. Schaubild 6 wurde anhand von Daten einer Umfrage erstellt, bei der die Befragten angeben sollten, ob sie 4. »sehr zufrieden«, 3. »ziemlich zufrieden«, 2. »nicht sehr zufrieden«, 1. »überhaupt nicht zufrieden« waren. Weil der erste Durchschnittswert aus dem Jahr 1973 bei 3,15 von höchstens möglichen 4 lag, konnte das Glücksempfinden in der Folgezeit um höchstens 28 Prozent ansteigen, drei- bis viermal weniger als das BIP. Und sogar ein so bescheidener Anstieg hätte sich nur ergeben, wenn verblüffende 100 Prozent der Bevölkerung gesagt hätten, sie seien »sehr zufrieden«. Selbst für einen Anstieg um nur 10 Prozent hätten 31,5 Prozent in eine höhere Kategorie wechseln müssen, zum Beispiel von »nicht sehr« zu »ziemlich zufrieden« oder von »ziemlich« zu »sehr zufrieden« – ein erheblicher Zuwachs beim nationalen Glücksempfinden. Außerdem können »begrenzte« Umfragen wie diese Veränderungen an den beiden Enden des Spektrums nicht erfassen. Wenn etwa die glücklichsten 10 Prozent noch glücklicher werden, findet das keinen Niederschlag, weil sie bereits in die Topkategorie »sehr glücklich« fallen. Wenn aber die reichsten 10 Prozent einer Gesellschaft reicher werden, können die Auswirkungen auf das BIP erheblich sein. Kurz gesagt: Der behauptete Gegensatz zwischen statischemGlücksempfinden und steigendem BIP ist wahrscheinlich nur ein statistisches Artefakt infolge der Messmethoden.[ 13 ]
    Andere Umfragen zu Glück verwenden eine numerische Skala von null bis zehn oder elf. Die Teilnehmer werden gefragt: »Wenn Sie einmal alles zusammen betrachten, wo würden Sie sich auf einer Glücksskala von null bis zehn einordnen?« Solche Befragungen anhand von Zahlen sind ein kleines bisschen sensibler als die oben beschriebenen verbalen, aber sie werfen wieder eigene Probleme auf. Die Kategorien »sehr glücklich«, »ziemlich glücklich« und »nicht sehr glücklich« sind zwar grob, aber zumindest aussagekräftig. Doch was bedeutet ein Wert von sieben auf einer Skala von zehn für das Glücksempfinden? Selbst wenn wir großzügig annehmen, dass es sinnvoll ist, Gefühlszuständen Kardinalzahlen zuzuordnen, fehlen uns die nötigen Informationen für eine solche Zuordnung. Wofür stehen beispielsweise die beiden Extreme? Bedeutet null, dass jemand zusammen mit seinen Familienmitgliedern bei lebendigem Leib in einen Kessel mit siedendem Öl gesteckt wird? Ist zehn ein Zustand vollkommener Glückseligkeit – »Gott, der einen Orgasmus in deinem Kopf hat«, wie ein Drogendealer einmal formulierte, als er die Wirkung seiner Ware beschrieb? Und was ist mit fünf? Bezeichnet dieser Wert einen mittleren Zustand zwischen den beiden Extremen? Oder einen Zustand emotionaler Gleichgültigkeit? (Das ist nicht unbedingt dasselbe; absoluter Schmerz könnte schmerzhafter sein, als absolute Lust lustvoll ist.) Oder meint fünf ein durchschnittliches Glücksempfinden? Viele Fragebogendesigner verstehen es ganz sicher so, und das erklärt ihre Überraschung, dass die große Mehrheit sich bei sechs oder höher

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