Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
bezeichnen, hohe Level elektrischer Aktivität im linken Vorderhirn und ein robustes Immunsystem haben.[ 16 ] Aber woher wissen wir, dass diese Befunde auf Glück hinweisen?(Die Antwort kann eindeutig nicht lauten, dass sie selbst berichtetes Glück belegen, denn das wäre ein Zirkelschluss.) Andere Studien zeigen eine Korrelation zwischen Selbstangaben zu Glück auf der einen Seite und Handlungen und Umständen, die mit Glück assoziiert sind, auf der anderen Seite. So werden zum Beispiel Menschen, die sich selbst als relativ glücklicher einstufen, auch von ihren Freunden und Verwandten als glücklicher beurteilt, und sie lächeln häufiger.[ 17 ] Andrew Oswald und Stephen Wu haben eine Korrelation zwischen der Lebensqualität in amerikanischen Bundesstaaten (gemessen anhand von Sonnenscheindauer, Pendelzeiten, Kriminalität und so weiter) und den Angaben der Einwohner zu Glück hergestellt. (New York steht bei Lebensqualität wie Glück ganz unten.)[ 18 ]
Wenn diese Studien glaubwürdig sind, zeigen sie, dass die Menschen, die sich selbst als glücklich bezeichnen, im Durchschnitt tatsächlich glücklich sind. Aber das Ergebnis ist nicht die Bestätigung, die es auf den ersten Blick zu sein scheint, denn es setzt voraus, dass wir ein Maß dafür, wie glücklich Menschen sind,
bereits haben,
unabhängig davon, was sie zu dem Thema sagen – und das Maß ist unsere Einschätzung mit dem gesunden Menschenverstand, was Menschen bewegt und was gut für sie ist. Selbstauskünfte mögen als zusätzliche Anhaltspunkte nützlich sein, aber sie können nicht das ultimative Kriterium für Glück sein. Ein einfaches Gedankenexperiment verdeutlicht das. Stellen Sie sich eine Frau vor, deren Kinder bei einem schweren Unfall getötet wurden und deren ganzes Handeln Unglück ausstrahlt, die sich aber trotzdem als glücklich bezeichnet. Wir würden vermuten, dass sie entweder lügt oder sich selbst etwas vormacht oder Worte in einer ganz ungewöhnlichen Weise verwendet. (Vielleicht ist sie Philosophin und hat ein ganz eigenes Verständnis von »glücklich«.) Wir würden nicht allem Anschein zum Trotz darauf beharren, dass sie wirklich glücklich ist. Glück ist, mit anderen Worten, nichts, was sich nur auf der inneren Bühne im Kopf einer Person abspielt und nur für diese Person sichtbar ist. Glück manifestiert sich in Handlungen und Geschehnissen. Wäre es nicht so, wäre es ein Rätsel, wie wir überhaupt darüber sprechen können. Die Annahme, die der Umfragemethodezugrunde liegt – dass wir selbst das endgültige Urteil darüber abgeben, wie glücklich wir sind –, ist falsch.
Solche Verwirrungen zeigt auch der oben erwähnte Aufsatz von Oswald und Wu. »Obwohl es natürlich ist, sich durch offizielle Umfragedaten leiten zu lassen«, schreiben sie,
erschien es ungewöhnlich, dass Louisiana – der Staat, den der Hurrikan Katrina verwüstet hat – einen so hohen Wert auf der Tabelle der Lebenszufriedenheit erreichte. Das Ergebnis wurde mehrfach überprüft. Dabei stellte man fest, dass Louisiana vor Katrina und auch in einer Tabelle von Mental Health America und der Applied Studies of the U. S. Substance Abuse and Mental Health Services Administration stark abgeschnitten hatte […] Trotzdem ist wahrscheinlich, dass Katrina die Zusammensetzung des Bundesstaates verändert hat – diejenigen, die geblieben sind, stellen keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung dar –, sodass bei der Interpretation der Ergebnisse für diesen Bundesstaat Vorsicht geboten ist. Louisianas Position in der Tabelle verdient weitere statistische Erhebungen.[ 19 ]
Das ist ein aufschlussreiches Eingeständnis. Während Oswald und Wu einerseits anerkennen, sie sollten sich konsequent »an die offiziellen Umfragedaten halten«, lassen sie sich andererseits davon beeinflussen, was sie intuitiv über die Auswirkungen von Hurrikans auf das Glücksempfinden wissen. Wenn es knirscht, stellen sie die Daten infrage und nicht ihre Ansichten, was Menschen glücklich macht. In ähnlicher Weise (allerdings diesmal in kritischer Absicht) erörterten Helen Johns und Paul Ormerod eine
positive
Beziehung zwischen Glück und Gewaltverbrechen in den USA. Völlig zu Recht interpretieren sie das als Beweis für die Unzuverlässigkeit von statistischen Daten; die Möglichkeit, dass Gewaltverbrechen Menschen glücklicher machen, ziehen sie nicht in Erwägung.[ 20 ] Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Daten in diesen beiden Fällen korrekt
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