Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
noch fünf bis zehn Jahre.)
Die meisten seriösen Wissenschaftler lehnen den Gedanken eines unumkehrbaren, katastrophalen »Umschlagspunkts« als empirisch nicht ausreichend fundiert ab. »Die Sprache der Katastrophe ist nicht die Sprache der Wissenschaft«, schreibt Mike Hulme, Direktor des Tyndall Centre for Climate Change Research an der University of East Anglia.[ 12 ] Aber das hat nicht verhindert, dass auch Menschen, die es besser wissen sollten, mit solchen Katastrophenszenarien operieren. Der ehemalige Geochemiker James Lovelock (mehr über ihn später) sieht die Welt auf einen Zustand zusteuern, den man »schlicht und einfach als die Hölle beschreiben kann: so heiß, so tödlich, dass nur eine Hand voll der heutigen Milliarden überleben wird«.[ 13 ] Aussagen wie diese sind eine profane Version von Pascals berühmter Wette: Sie beschwören ein Übel, das so schreckenerregend ist, dass es
jedes
Opfer rechtfertigt, wie groß es auch sein mag. Diese Argumentationsstrategie (heute zu Ehren gekommen als das »strenge Vorsorgeprinzip«) soll Panik einflößen. Bei nüchternem Nachdenken sind die Gefahren der Erderwärmung, so real sie sein mögen, nicht im Entferntesten vergleichbar mit den Gefahren, die Krieg, Seuchen und andere Katastrophen mit sich bringen. Sie verlangen nicht die
totale
Konzentration der Anstrengungen und Ressourcen, zu der die radikalen Klimaaktivisten aufrufen.
Die Begründung der Umweltschützer für eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum setzt nicht nur voraus, dass die verheerenden Wirkungender Erderwärmung mit einer gewissen Zuverlässigkeit vorhersehbar sind, sondern dass ihr Gewicht unverändert bleibt, egal, wie weit in der Zukunft sie liegen. Selbst wenn die Katastrophe noch 200 Jahre entfernt ist, müssen wir
heute
Opfer bringen, um sie abzuwenden. Das ist für uns extrem schwer nachzuvollziehen. Die meisten Menschen schätzen das Glück der Lebenden höher als das der noch Ungeborenen, sie sind »gegenwartsfixiert«. Die meisten Umweltökonomen tragen dem Rechnung, indem sie das zukünftige Wohlergehen mit einem »Abschlag« versehen: Sie behaupten
de facto,
ein Engpass morgen zähle weniger als ein Engpass heute. Weiter nehmen sie an, künftige Generationen würden mutmaßlich reicher sein als wir und deshalb besser in der Lage, die Kosten der Erderwärmung zu tragen. Beide Annahmen zusammen führen zu dem Schluss, »trotz ernsthafter Bedrohungen der Weltwirtschaft durch den Klimawandel sollte in nächster Zukunft nicht viel zur Reduzierung der CO 2 -Emissionen unternommen werden; zukünftige CO 2 -Kontrollen sollten verstärkt, aber schrittweise umgesetzt werden, ab einem Zeitpunkt mehrere Jahrzehnte in der Zukunft.«[ 14 ]
Radikale Klimaschützer lehnen Abschläge beim zukünftigen Wohlergehen entschieden ab. Warum sollte ein Mensch weniger Ansprüche an uns haben, nur weil er 2100 geboren wird und nicht 2000? Ist das nicht »Präsentismus« und genauso schlimm wie Rassismus und Sexismus? Der Stern Review operiert mit einer reinen Zeitabschlagsrate von nahe null, das heißt, er misst dem Wohlergehen aller Menschen, der heute lebenden und der zukünftigen, nahezu gleiches Gewicht bei. (Der Abschlag beträgt nur deshalb nicht null, um die geringe Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass die Menschheit möglicherweise aufhört zu existieren.) Deshalb sei, so die Folgerung, eine zunächst minimale, bis zum Jahr 2050 auf 1 Prozent des weltweiten BIP gesteigerte Reduzierung der CO 2 -Emissionen nötig, um die noch höheren Kosten der Erderwärmung zu vermeiden.[ 15 ] Stern hat seine Schätzung, was es kostet, den Klimawandel zu bewältigen, in der Folgezeit verdoppelt, und andere Autoren nach ihm haben noch höhere Zahlen ins Spiel gebracht, die das Wachstum vollständig aufzehren würden.[ 16 ]
Die Ethik des Stern Reviews ist die eines hehren Egalitaristen, für den alle Zeitalter gegenwärtig sind und alle Menschen, ob sie in der Vergangenheit lebten oder in der Gegenwart oder Zukunft leben werden, gleich viel zählen. Aber unser Standpunkt, der menschliche, ist etwas profaner. Wir betrachten die Welt von einem bestimmten zeitlichen Punkt aus und verteilen unsere Sympathien entsprechend. Wir schätzen das Wohlergehen unserer Kinder höher als das unserer Enkelkinder und das unserer Enkelkinder höher als das unserer Urenkelkinder, und es wäre falsch, das nicht zu tun. Nigel Lawson erinnert uns an die Gestalt der Mrs Jellyby, die »teleskopische Philanthropin« in Charles
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