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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Verdacht erhaben. »Es besteht ein Risiko«, heißt es in einem Bericht des britischen Oberhauses zum Klimawandel aus dem Jahr 2005, »dass der Weltklimarat in gewisser Hinsicht zu einem ›Wissensmonopol‹ geworden ist und nicht mehr auf Stimmen hört, die nicht auf seiner Linie liegen.«[ 7 ] Angesichts dieses Trommelfeuers von Vorwürfen und Gegenvorwürfen bleibt uns Nichtnaturwissenschaftlern nichts anderes übrig, als uns der Mehrheitsmeinung anzuschließen, dass die Erderwärmung tatsächlich hauptsächlich von Menschen verursacht ist. Für unsere weitere Argumentation ist es indes nicht wichtig, ob diese Meinung stimmt oder nicht.
    Bei der Begründung, warum wegen der Erderwärmung eine Reduzierung des Wachstums nötig sei, wird üblicherweise utilitaristisch argumentiert. Man müsse heute ein wenig Leid ertragen, so heißt es, um viel größeres Leid in der Zukunft zu verhindern. Aber dieses Argument gilt nur, wenn a) die zukünftigen Kosten der Erderwärmung sich mit einiger Sicherheit beziffern lassen und b) die Kosten genauso schwer wiegen, egal, ob sie heute, in 50 Jahren oder in 200 Jahren spürbar werden. Beide Annahmen sind fragwürdig. Betrachten wir sie nacheinander.
    Vorhersagen sind immer schwierig, vor allem auf einem Gebiet, das so komplex und so unzureichend verstanden ist wie dieses. Das hindert aber niemanden, es trotzdem zu versuchen. Der Weltklimarat legt seit 1990 Schätzungen zu den Kosten der Erderwärmung vor. Die Zahlenwurden von leistungsstarken Rechnern produziert und erstrecken sich weit in die Zukunft. Sie vermitteln den Eindruck technischer Autorität. Aber was haben sie uns wirklich zu sagen? Die Modelle des Weltklimarats basieren auf langfristigen Projektionen nicht nur des Klimas, sondern auch der Bevölkerungsentwicklung, des Wirtschaftswachstums und technischer Veränderungen – allesamt hochgradig unsicher. Zusammengenommen ergeben diese Ungewissheiten eine »Kaskade der Unsicherheit«[ 8 ], wie der Weltklimarat selbst sagt. Das halten wir für eine schwache Grundlage, um Maßnahmen zu ergreifen, die
ganz sicher
massive Auswirkungen auf unseren Lebensstandard haben werden.
    Die Technik ist entscheidend, um die Kosten der Erderwärmung abzuschätzen, weil von ihr abhängt, wie wir auf die Überflutungen, Dürren und Seuchen reagieren können, die als ihre Folgen vorhergesagt werden. Aber der technische Wandel ist prinzipiell unvorhersehbar; Karl Popper hat den Grund dafür formuliert: Wenn wir voraussagen könnten, was wir wissen werden, wüssten wir es bereits.[ 9 ] (Wir könnten das auch den Raumschiff-Enterprise-Effekt nennen in Erinnerung an die bekannte Tendenz alter Science-Fiction-Filme, nur die technischen Fantasien ihrer jeweiligen Zeit auszudrücken.) Der Weltklimarat ist sich der Schwierigkeit bewusst und räumt ein, die Technologien, »die in 100 Jahren in Gebrauch sein werden, könnten Effekte auf das Klima haben, die wir uns nicht vorstellen können«.[ 10 ] Eben weil diese Effekte unvorstellbar sind, können sie nicht in ein reguläres Vorhersagemodell einbezogen werden. Unsere Vorfahren in der Zeit König Eduards VII. konnten nicht vorhersehen, dass wir mit unserer Landwirtschaftstechnologie einmal in der Lage sein würden, sieben Milliarden Menschen zu ernähren. Sollte es uns wundern, wenn unsere Nachkommen Technologien ersinnen, die es ihnen ermöglichen, mit einer Erwärmung um 3, 4 oder sogar noch mehr Grad zurechtzukommen?
    Man muss dem Weltklimarat zugutehalten, dass er für die verschiedenen Szenarien keine Wahrscheinlichkeiten angibt, sondern sie einfach als »Denkmodelle« präsentiert. Unvermeidlich nehmen die Politiker das extremste Modell, wenn sie die Glaubwürdigkeit ihrer grünen Überzeugungenunterfüttern wollen, und ihre Berater machen es genauso, wenn sie sich bei ihnen anbiedern wollen. Es ist das übliche »Aufpeppen«: Man lässt bei den Aussagen von Experten alle vorsichtigen Einschränkungen weg, bis nur die leicht verdaulichen Schlagwörter übrig bleiben. So gab das düsterste der sechs Szenarien des Weltklimarats die Grundlage für den einflussreichen Stern Review aus dem Jahr 2006 ab, der wiederum Tony Blair veranlasste, in einem offenen Brief an die Staatschefs der EU-Mitgliedstaaten zu schreiben, »wir haben ein Zeitfenster von nur zehn bis fünfzehn Jahren, um die Schritte zu ergreifen, damit wir nicht an den katastrophalen Punkt geraten, an dem es kein Zurück mehr gibt.«[ 11 ] (Das war im Jahr 2006. Jetzt bleiben uns nur

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