Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Dickens’ Roman
Bleak House,
der die Armen in Afrika so sehr am Herzen liegen, dass sie ihre eigenen Kinder vernachlässigt. »Die ethische Grundlage, die der Stern Review für sich in Anspruch nimmt, ist nicht viel mehr als teleskopische Philanthropie auf die Zeit übertragen«, fügt Lawson hinzu.[ 17 ] Doch Sterns Position ist noch seltsamer. Mrs Jellyby stellt ihre Nächsten und Liebsten auf eine Stufe mit Fremden. Stern stellt die Leben den auf eine Stufe mit den Nichtlebenden. Er wirft das Wohlergehen
potenzieller
Menschen mit dem realer Menschen aus Fleisch und Blut in die Waagschale. Wir können diese seltsame Denkweise zurückweisen, ohne das Motto Ludwigs XV. übernehmen zu müssen,
après moi le déluge
(nach mir die Sintflut). Wir müssen nur sagen, dass das Wohlergehen Ungeborener
weniger
zählt als das der Lebenden, aber trotzdem auch zählt.
Das Argument, weniger Wachstum mit der Erderwärmung zu begründen, ist so schwach, dass man nach tieferen Erklärungen dafür sucht, warum so viele daran glauben. Und solche Erklärungen sind nicht schwer zu finden. Die meisten radikalen Klimaschützer hassen Gier und Luxus leidenschaftlich; in früheren Epochen wären sie vielleicht Menschen vom Schlag eines Oliver Cromwell oder Girolamo Savonarola gewesen. Aus einem großen Teil der ökologischen Literatur spricht die Liebe zum Büßergewand. Sehr deutlich ist der puritanische Zungenschlag in George Monbiots Ankündigung, die Kampagne für den Klimaschutz fordere »nicht Überfluss, sondern Mangel. Es ist eine Kampagne, die nicht mehr Freiheit will, sondern weniger. Und der seltsamste Aspekt:Es ist eine Kampagne, die sich nicht nur gegen andere Leute richtet, sondern auch gegen uns selbst.«[ 18 ] Hier und nicht in den trockenen Zahlen von computergenerierten Kosten-Nutzen-Analysen schlägt das Herz der Klimaschutzbewegung.
Fassen wir zusammen: Die Forderung der Umweltschützer nach einer Verringerung des Wachstums lässt sich nicht als pragmatische Reaktion auf bekannte Fakten erklären. Darin kommt eine Leidenschaft zum Ausdruck, eine Inbrunst, die sich nicht um Fakten schert. Als Marx’ ökonomische Vorhersagen durch den Gang der Ereignisse widerlegt wurden, kümmerte das seine Anhänger nicht. Ebenso wenig werden die radikalen Klimaschützer ihren Widerstand gegen Langstreckenflüge und Geländewagen aufgeben, sondern eher immer neue Argumente finden, um ihre Verzichtsforderungen zu rechtfertigen. Die Umweltschutzbewegung ist eine Glaubenslehre, keine Wissenschaft. Und woher kommt der Glaube? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Blick auf die Geschichte werfen.
D IE ETHISCHEN W URZELN DER U MWELTSCHUTZBEWEGUNG
Die wissenschaftliche Revolution des 17. Jahrhunderts wollte das
regnum homini
etablieren, wie Francis Bacon sagte, die Herrschaft des Menschen. Die Natur war lediglich untätige Materie, den Menschen und seinen Zielen dienstbar; Gott war ein abstrakter »erster Beweger«, fern und gleichgültig. Der Mensch allein beherrschte die Welt. Locke und andere interpretierten die Schöpfungsgeschichte im Licht dieser neuen Philosophie um – als Auftrag Gottes, zu pflügen, zu ernten und Bodenschätze zu gewinnen – und schmiedeten damit ein Verbindungsglied zwischen dem protestantischen Glauben und der Ausbeutung der Umwelt, das bis heute Bestand hat. H. C. Carey, ein amerikanischer Ökonom des 19. Jahrhunderts, fasste die allgemeine Auffassung in Worte, als er sagte, die Erde sei »eine große Maschine, die dem Menschen gegeben wurde, damit er sie entsprechend seinen Zwecken formt«.[ 19 ]
Bacons Projekt und seine industriellen Nachwirkungen provozierten eine leidenschaftliche Reaktion der Dichter und Schriftsteller. William Wordsworth’ Protest gegen die Vergewaltigung der Natur wurde in England von John Ruskin und William Morris aufgegriffen, in Amerika von Henry David Thoreau, Ralph Waldo Emerson und vielen anderen. Diese Schriftsteller bewegte keine naturwissenschaftliche Theorie über Umweltverschmutzung und die Ausplünderung von Ressourcen, sondern ein ursprüngliches, halbheidnisches Gefühl, dass die Natur etwas Heiliges ist, und ein entsprechendes Entsetzen vor menschlicher Einmischung. »Alles ist durch Geschäfte verbrannt, verdorben, durch Arbeit beschmutzt«, schrieb Gerard Manley Hopkins über die Auswirkungen menschlichen Handelns auf der Erde. Der Abscheu richtete sich gleichermaßen gegen die Landwirtschaft wie gegen die industrielle Produktion. Die Romantik förderte
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