Wie viel kann eine Frau ertragen
Schießübungen. Es hat mir so viel Spaß gemacht, ich war auch eine von den Besten in der Klasse. Später auch eine von den Besten an dieser Schule. Ich konnte für die Schullandmeisterschaften trainieren. Es traten mehrere Schulen gegeneinander an. Es war ein super Erlebnis, weil unsere Schule daran beteiligt war und wir den dritten Platz belegt hatten. Nicht unbeteiligt an meinen sehr guten Erlebnissen war unser Dozent. Er hat mich sehr gemocht und mich auch immer wieder motiviert. Die neunte Klasse hatte ich bis Ende des Schuljahres besucht.
So lief unser Leben. Wir gingen zur Schule, dann Mittagessen, Hausaufgaben machen und danach zur Arbeit, fegen. Nach der Arbeit Abendbrot, Geschirr abwaschen, schlafen gehen. Am nächsten Morgen das Gleiche noch mal und das jeden Tag, fünf Tage die Woche.
Am Sonnabend musste ich dann die Wohnung aufräumen und am Sonntag auf die kleine Halbschwester aufpassen, weil die Eltern zur Kirche gefahren sind. Wenn ich Glück hatte, durfte ich noch Mittag kochen. Und dann war ja auch bald wieder Montag. Ab Montag lief das Gleiche noch mal ab.
Im März 1976 ist dann mein Freund Michael mit seiner Familie auch nach Deutschland weggefahren. Es ging uns beiden sehr schlecht damit. Bevor er gefahren ist, hat er mir noch einen Ring mit gelbem Stein geschenkt. Kurz davor hat unser Vater einen „Wusow“ beziehungsweise Antrag auf Ausreise nach Deutschland gestellt.
Im April 1976 bekam meine Stiefmutter noch eine Tochter, Anna. Als Vater aus dem Krankenhaus nach Hause kam, sagte er nur, die Mutter wäre fast gestorben bei der Entbindung. Es hatte ihn doch ganz schön mitgenommen. Nach diesem frohen und glücklichen Ereignis für meinen Vater und seine Frau gab es nur noch mehr Arbeit für mich. Tja, ich war ja auch schon fast ganze sechzehn Jahre alt, fast erwachsen. Und bis zu diesem Punkt hatte ich auch schon eine Menge gelernt.
Ende Mai 1976 wurde ich sechzehn Jahre jung. Mein Onkel war bei uns zu Besuch.
Es war wohl Anfang Juni, als ich eines Abends in die Küche kam. Was habe ich da gesehen, aber klar doch, meinen Vater mit einer Flasche Wein in der Hand. Er hatte gerade aus dieser Flasche getrunken. Als er mich gesehen hatte, fragte er mich, was ich wohl in der Küche suchen würde. Ich sagte nur, dass ich Wasser trinken wollte. Kaum hatte ich es ausgesprochen, saß seine Hand auch schon bei mir im Nacken. Ich weiß auch nicht, warum, aber anscheinend fühlte er sich dabei erwischt mit seiner Flasche Wein. Als Christ durfte man keinen Alkohol trinken! Ich habe es gesehen, was ist schon dabei, ich bin sein Kind. Aber was ist mit Gott? Er sieht doch viel mehr als wir Menschen. Mein Vater wollte uns ein Vorbild sein mit Alkohol, aber mit Kinder schlagen, was war das? Es ist noch schlimmer als Alkohol. Was ist das für ein Christ?
Was für ein Armutszeugnis in meinen Augen!
Am 01. Juli bekamen meine Eltern eine Erlaubnis zur Ausreise nach Deutschland. Zwei Tage später war der Vater von meiner Stiefmutter bei uns. Eine Woche später waren die Schwestern von meiner Stiefmutter auch da. Sie alle kamen zu uns, um sehr viele Möbel, Sachen und Kleider abzuholen. Meine Schwester Sara, die Tochter von meinem Vater, hat als Letzte erfahren, dass wir wegfahren, und das von meinem ältesten Bruder Rudi. Mein Vater wollte sie zum Schluss, kurz bevor wir wegfuhren, informieren. Aber Rudi hat darauf bestanden. Ja, so sieht man den Unterschied zwischen der Verwandtschaft von der Stiefmutter und der eigenen Tochter. Diese Stiefmutter hatte die „Hosen“ ab dem ersten Tag an, als sie zu uns kam. Anstatt seiner Tochter etwas zu geben, hat die Verwandtschaft von meiner Stiefmutter fast alles in den Container gepackt und nach Orenburg geschickt. Nach Erzählungen meiner Tante, sie hatte zu der Zeit noch in dem Dorf gewohnt, wunderten sich viele Menschen, dass der Vater meiner Stiefmutter und ihre Schwestern diese ganzen Möbel, Teppiche, viele Kleider und noch so manches mehr bekommen haben. Obwohl mein Vater noch zwei Töchter hatte, die in Russland zurückblieben. Elvira wollte auch nach Deutschland, aber Sara nicht. Sie ist mit fast leeren Händen nach Hause gefahren. Nicht zu vergessen ist, dass meine Stiefmutter nicht gearbeitet hat, meistens nur wir Kinder. Die Schwestern meiner Stiefmutter haben sich so viele Koffer gepackt, dass sie es nicht tragen konnten. Sie waren regelrecht gierig!
Am 14. Juli 1976 sind wir dann aus Semeru weggefahren. Von Rakvere dann mit dem Zug
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