Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Platz.« Die Frau weist auf eine kleine Gruppe Holzgartenmöbel im Hof. »Möchten Sie selbst gemachten Birnensaft?«
»Oh, gern.« Ich fühle mich hier sofort heimisch. Alles erinnert mich an meine Kinderferientage auf dem Land.
»Ich hole jetzt einmal das Wiederbelebungsmittel für die Großen!« Die Frau verschwindet verschmitzt lachend im Haus. Mit dem Birnensaft in der Hand sitze ich auf einer Bank und lehne meinen Kopf an die kühlende Wand einer alten Scheune. Die Neufundländer schlafen im Schatten eines großen Walnussbaumes. Ich habe keine Idee, was diese dösenden Riesen im Augenblick wecken könnte.
»Huuuuhuuuuhuuuuuhu«, zerreißt ein sirenenartiger Ton die Stille. Ein West Highland White Terrier rast hysterisch bellend ins Bild. Ich hebe den Kopf. Alle Neufundländer heben den Kopf. In ihrem schläfrigen Blick liegt nun Ungläubigkeit. »Nee, nä?! Musst du ausgerechnet jetzt rauskommen?«, scheinen sie sagen zu wollen. Der West Highland White Terrier, hierzulande auch einfach Westie genannt, rennt in großen Kreisen über den Hof. Ab und zu rammt er seine Vorderpfoten heftig in den Sand und wirft sich in die Terrierbrust. Dabei verfolgt er meine Reaktion aus den Augenwinkeln. Nun springt einer der Neufundländer überraschend schnell auf und bellt in tiefen, heiseren Tönen »uh, uh, uh«, was so viel heißen könnte wie: »Halt den Rand, du Nervensäge.«
»Das ist Manne, der Leithund«, sagt die Frau und deutet auf den imposanten Rüden.
Den Westie spornt die Zurechtweisung jedoch zu neuen Ausbrüchen an. »Huuuu, huuuuhu-u-u!!!!«: »Ich kann es besser. Warte nur. Gleich hab ich es!« Manne blickt resigniert auf das Ergebnis seiner Ermahnung und bestärkt mich damit in meiner Vermutung, dass er damit schon häufiger erfolglos geblieben ist. Laut ausatmend lässt er sich zurückfallen und dreht demonstrativ den Kopf weg. Der Westie schnappt sich daraufhin ein quietschendes Gummihuhn und postiert sich damit genau vor der Schnauze eines anderen Neufundländers. »Wiek, wiiiiiek, wii-hi-hiek.« Er steckt dem Hund das Spielzeug fast in die Schnauze. Die Augenlider des betroffenen Neufundländers öffnen langsam auf Halbjalousie, und nur seine beschleunigte Atmung lässt erkennen, dass ihm die Störung gewaltig auf die Nerven geht. Der Terrier schüttelt das Spielzeug und wirft es forsch in die Runde. Es fällt auf einen der schlafenden Neufundländer, der nun erschrocken hochfährt und benommen in die Runde schaut. Langsam rappelt er sich auf, geht gemächlich über den Hof und lässt sich an einer anderen schattigen Stelle wieder fallen. Dem Terrier entfährt ein wütender Ton: »Uuuuuuuuh!« Er schüttelt das Spielzeug und wirft es erneut in die Luft. Es landet neben dem Neufundländer, der sich eingangs bellend beschwert hatte. Er wird von den Vorderpfoten und Krallen des Terriers nicht ganz zufällig in der Seite getroffen, als dieser mit einem energischen Sprung auf dem Spielzeug landet. Dem Neufundländer entfährt ein heiserer Laut, der sowohl Überraschung als auch Schmerz ausdrückt. Er streckt ruckartig den Kopf nach vorn und verpasst dem Verursacher einen wohldosierten Warnbiss. Mit diesem will er den Terrier zwar nicht verletzen, aber maßregeln.
Weil der Terrier nicht daran denkt aufzuhören, greift er ihm mit der riesigen Schnauze einfach über den Rücken und hält ihn fest.
Übertrieben laut beginnt der Terrier zu fiepen und hilfesuchend zu der Frau zu blicken. Dann entwischt er dem Maul des Hundes und rennt mit großen Sprüngen über den Hof. Obwohl er vor Schreck den Hintern absenkt, wirft er den Oberkörper schon wieder nach vorn und den Kopf zurück. »Wuhuuhuuuhu!«, beschwert er sich mit ein paar Seitenblicken auf die Frau, von der er nun offenbar endlich Beistand erwartet.
Sein Gang nimmt den Ausdruck eines Gockels an, der vor seinen Hennen auf und ab marschiert. Ab und zu scharrt er mit den Vorderpfoten im Boden, als wolle er sich Platz verschaffen, und gibt entrüstete kleine Wuffer von sich.
»Ein herrliches Schauspiel«, sage ich anerkennend.
Die Frau seufzt. »Das traut er sich auch nur hier im Hof mit meinen vier Großen, weil er weiß, dass sie gutmütig und viel zu langsam sind. Draußen mit anderen Hunden fährt er ja eine andere Taktik.«
»Ich bin neugierig«, sage ich. »Aber bevor wir hinausgehen, sagen Sie, wie kommt der Westie zu Ihnen und den Neufundländern?«
Die Frau schiebt ihren dichten Pony zurück, um sich mit der Hand über die Stirn zu
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