Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
mit Geld erworben werden kann.
»Ich werde jetzt gehen«, sage ich mit sehr fester Stimme, um nicht laut zu werden. Die Frau sieht mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Der Mann blickt mich starr an.
Ich erwidere den Blick der Frau und sage: »Ich kann nichts für Sie tun, wenn ich nichts für Ihren Hund tun darf.«
Der Mann erhebt sich, winkt ab und verschwindet wortlos durch die Flügeltür, aus der er gekommen ist. Die Frau reibt hilflos beide Hände an ihrem Kostüm und hat Tränen in den Augen. Ich schwanke zwischen Mitleid und Wut über die Zaghaftigkeit, in der sie sich in dieser Villa und in ihrem Leben eingerichtet hat.
Während mir die Haushälterin im Flur meine Jacke reicht, trifft mich ein Blick von ihr, den ich nicht erwartet hätte. Sie lässt mich ein angedeutetes Lächeln sehen, das Verbundenheit ausdrückt. »Deshalb habe ich kein Tier«, sagt sie leise, als sie mir die Haustür öffnet.
Ein Dach für Benny
Ich fahre die einzige Hauptstraße eines Berliner Vorortes entlang, vorbei an bunt bepflanzten Vorgärten, die von der liebevollen Pflege ihrer Bewohner zeugen, und traue meinen Augen nicht. Alle paar Häuser steht ein Mensch mit Hund am Straßenrand und winkt. Ich winke irritiert zurück, weil ich die Bedeutung dieser losen Hundeparade nicht erkennen kann. Treffen sich diese Menschen zum gemeinsamen Spaziergang? Warum bleiben sie dann so vereinzelt stehen? Während ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass fast alle ihren Hund »Sitz« machen lassen und deutlich um einen guten Eindruck bemüht sind. Langsam dämmert mir, dass meine Kundin hier offenbar alle über mein Kommen informiert hat. Ich muss schmunzeln, denn mir fällt ein Bilderwitz aus meiner Kindheit ein. Auf dem Bild ist eine ältere Frau mit Schweißperlen auf der Stirn zu sehen, die auf Knien den Boden schrubbt. Ein kleiner Junge fragt sie: »Aber Oma. Warum machst du denn sauber, die Reinemachfrau kommt doch gleich?« Über der Oma verkündet eine Sprechblase: »Ja, aber was soll denn die von uns denken?«
Ähnlich empfinde ich oft die rührenden Versuche einiger Hundebesitzer, einen braven Hund vorzuzeigen, wenn die Hundetrainerin kommt.
Ich halte vor einem weißen Haus, dessen Blumenkästen mit roten Geranien reich geschmückt sind. An einem hohen blickdichten Tor aus Holz weist ein Schild darauf hin, dass hier Neufundländer gezüchtet werden.
Ich läute. Eine rundliche Frau in den Sechzigern lehnt sich aus einem der Fenster. Ihr Busen nimmt in den Geranien Platz. »Jawoll, ich komme«, ruft sie mir zu und verschwindet. Kurze Zeit später öffnet sich das Tor.
»Na, gut gefunden? Immer herein. Ich freue mich, dass Sie da sind.«
Die Frau lädt mich mit einer Handbewegung ein, in den Hof zu kommen. Bevor sie das Tor hinter mir schließt, wirft sie einen kurzen Blick auf die Straße. »Alle bereit!«, kommentiert sie die Anwesenheit der wartenden Hundebesitzer.
»Wozu?«, frage ich.
»Na, Sie hatten doch gesagt, es solle sich jemand aus der Nachbarschaft zum Training bereithalten für unser Problem«, entgegnet sie leicht irritiert.
Nun schaue ich sie überrascht an. »Das stimmt, aber ich rechnete wie üblich mit zwei oder drei Helfern. Das sind ja mindestens zwanzig Hunde, Hut ab.«
»Also hier im Ort wollten alle mitmachen«, erwidert sie treuherzig und zieht an ihrer braunen Cordhose, die, an den Füßen zusammengerafft, in ein Paar roten Socken verschwindet. Meinen Blick bemerkend, erklärt sie lachend: »Die neuste Zeckenmode.«
Ihre roten Wangen und ihr entspannter Blick haben etwas von einem Menschen, der in der Nähe der Natur leben darf.
Das Bild, das sich mir im Hof bietet, erinnert an ein Gemälde. Im Schatten des Hauses liegen, lang ausgestreckt, vier zottige, schwarze Neufundländer, die der Hitze des Sommertages so reglos wie möglich zu trotzen suchen.
»Ha, was für prächtige Gesellen«, sage ich und zeige auf die Hunde.
Die Frau nickt zustimmend. »Ist nur sehr heiß für sie, hoffentlich machen sie überhaupt mit.« Ihre dunklen Haare sind zu einem Pagenkopf geschnitten, der in seiner Dichte dem prächtigen Haarkleid der Neufundländer in nichts nachsteht.
Das Gemälde im Hintergrund bewegt sich. Einer der Neufundländer hebt den Kopf und blinzelt zu uns hinüber. Sein Kopf fällt nach dieser Anstrengung, von einem lauten Seufzer begleitet, wieder auf den Boden. Die anderen drei Hunde bewältigen das Abschätzen der Situation nur mit den Augen.
»Aber nehmen Sie doch erst einmal
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