Wie war das noch - Schulwissen neu aufpoliert
»Der Spieler«.
Zwei Jahre nach Dostojewskis »Schuld und Sühne« erscheint 1868 ein weiteres Monumentalwerk der Literatur: »Krieg und Frieden« von Leo Tolstoi (= Lew Tolstoi, 1828 — 1910). Leichte Kost ist die Geschichte von drei Familien in drei Generationen nicht, was auch am Umfang liegt: Der historischphilosophische Roman umfasst sechs Bände. Tolstoi, Sohn eines reichen russischen Gutsbesitzers, fühlt sich der Wahrheit und der christlichen Nächstenliebe verpflichtet. Schonungslos kritisiert er die Macht von Autoritäten und sucht nach dem Sinn des Lebens. In seinem Roman »Anna Karenina« erschafft Tolstoi mit der Hauptfigur eine der bekanntesten Ehebrecherinnen der Weltliteratur.
Ebenso neuartig wie fantastisch sind die technischen Erfindungen, die der Franzose Jules Verne (1828 — 1905) in seinen Romanen nutzt, um fremde Welten zu entdecken: Als er Reisen in Flugzeugen, U-Booten und Raumschiffen beschreibt, ist das alles noch Science-Fiction. Und für die Leser ist es entsprechend aufregend, sich zusammen mit dem machtgierigen Kapitän Nemo »20 000 Meilen unter dem Meer« wiederzufinden oder eine »Reise zum Mittelpunkt der Erde« anzutreten.
Seiner Zeit voraus ist auch Henrik Ibsen (1828 — 1906) mit dem 1879 geschriebenen Stück »Nora oder Ein Puppenheim«, obwohl es in einem gutbürgerlichen Wohnzimmer spielt: Der Norweger zeigt hier die fehlende Gleichberechtigung der Frau in der Ehe und lässt seine Zuschauer in zwischenmenschliche Abgründe blicken. Damit vertritt er den Naturalismus. Diese literarische Strömung will die Welt möglichst »naturgetreu« und die Menschen in ihrer sozialen Wirklichkeit zeigen. Was bei Ibsen auch heißt: weitgehend frei von Humor. (Weitere bekannte Stücke: »Gespenster«, »Die Wildente«, »Peer Gynt«, »Die Stützen der Gesellschaft«.)
In »Nora« spielt eine Vorgeschichte eine entscheidende Rolle (ein heimlicher Kredit und eine gefälschte Unterschrift). Eine der handelnden Personen deckt diese alte Sache auf, über die dann diskutiert wird und die den Ablauf der Gegenwart beeinflusst.
Sie ist also auf der Bühne nicht zu sehen, sondern wird nur berichtet – typisch für das analytische Drama.
Der Franzose Emile Zola (gesprochen: »Emiehl Solah«, 1840 — 1902) gilt als der bedeutendste Vertreter des Naturalismus. Für Zola heißt das: Der Einzelne ist das Ergebnis von Vererbung und Erziehung – persönliche Freiheit besitzt er nicht. In seinem Roman »Nana« schildert der Pariser Autor in ebenso lebendiger wie moderner Sprache das Leben einer Prostituierten, die ihre Anziehungskraft auf Männer nutzt, um gesellschaftlich aufzusteigen; doch am Ende scheitert sie. Zolas Gesamtwerk umfasst 50 Bände.
Wer kennt ihn nicht: Tom Sawyer, Schulschwänzer und Ausreißer, der mit seinem Halbbruder Sid in einer Kleinstadt am Mississippi aufwächst, wo er nicht nur seine gutherzige Tante Polly mit Streichen beunruhigt. Aber sie liebt ihn, so wie die Leser Mark Twain (1835 — 1910) seit mehr als 130 Jahren für seine Geschichten lieben. Ebenso humorvoll wie »Tom Sawyers Abenteuer« schildert Twain auch »Die Abenteuer des Huckleberry Finn« – in der schnoddrigen Umgangssprache des jugendlichen Ich-Erzählers, der sich nicht anpassen will; nebenbei wirft dieser Roman einen Blick auf das Leben in den Südstaaten der USA zur Zeit der Sklaverei.
Twain veröffentlicht neben weiteren Werken auch Kurzgeschichten, Satiren und Reiseberichte (»Bummel durch Europa«). Als ein von ihm gegründeter Verlag pleitegeht, muss er seine Schulden mit Vortragsreisen abarbeiten.
Weniger humorvoll als Twain, aber umso spannender (und ebenfalls »Jugendliteratur«) ist die Geschichte des Schiffsjungen Jim Hawkins, der eine alte Karte entdeckt, auf der »Die Schatzinsel« eingezeichnet ist. Der Schotte Robert Louis Stevenson (1850 — 1894), durch eine Lungenkrankheit zu Reisen in exotische Klimazonen gezwungen, macht sich mit diesem Abenteuerroman unsterblich. Sein zweiter Welterfolg (auch als Film): »Der seltsame Fall des Doktor Jekyll und Mr. Hyde«, die Geschichte einer gespaltenen Persönlichkeit. Obwohl Stevenson nur 44 Jahre alt wird, hinterlässt er am Ende seines kurzen Lebens ein umfangreiches Werk, zu dem Reiseberichte, Kindergedichte und fesselnde Erzählungen (»Der Selbstmörderclub«) gehören.
Kaum älter wird der Ire Oscar Wilde (1854 — 1900). Er schreibt nur einen einzigen Roman. Aber was für einen! »Das Bildnis
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