Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
»Wenn ich gewusst hätte, dass Michael schon nach knapp vier Jahren aus dem Gefängnis kommt, wäre ich damals auf eigene Faust verschwunden.«
»Er hat den Richter bestochen«, informierte Silas sie nebenher, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
»Was?« Constanze fuhr herum. »Woher weißt du das?«
»Ich weiß eine ganze Menge, gehört zu meinem Job.«
Das konnte sie sich denken. Plötzlich fiel ihr etwas anderes ein. »Woher wussten Michaels Typen eigentlich, dass ich in Köln bin? Du hast es ja bestimmt niemandem gesagt.«
»Vielleicht solltest du diese Frage mal deinem Nachbarn stellen. Roland kennt deine Vergangenheit und er ist ein ziemlich schlechter Verlierer, so viel kann ich dir schon mal sagen.«
Constanze biss die Zähne zusammen. Das war also des Rätsels Lösung. »Nimmst du vielleicht doch noch einen Auftrag an?« Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Ich möchte gern, dass du diesen Schweinehund umbringst.«
Silas schmunzelte. »Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, für dich würde ich alles tun.«
Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen innigen Kuss. »Ich weiß.«
Er erwiderte genießerisch ihre Liebkosung, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Verkehr zu. Da Constanze ihm so nahe war, spürte sie exakt den Moment, in dem er sich verspannte. Die Muskeln unter ihren Fingern wurden bretthart und sein Gesicht nahm jenen Ausdruck an, der ihr jedes Mal einen Heidenschreck einjagte.
»Anschnallen!« Silas packte sie an der Schulter und drückte sie ruckartig nach hinten.
Ehe sie sich versah, hatte er den Gurt um sie gezogen und eingerastet. Kaum ertönte das leise Klicken, riss er das Steuer herum.
Der Wagen brach am Heck aus und beschrieb einen scharfen Bogen. Constanze krallte sich an die Türverkleidung, geschockt von dem rapiden Richtungswechsel. Die Reifen schabten lautstark über den Asphalt, begleitet von einem hohen Pfeifen, das Bruchteile später in einem dumpfen Schlag endete. Constanze schrie und duckte sich.
»Keine Angst.« Silas drehte sich um. »Der Wagen ist kugelsicher.« Einen Arm auf ihre Sitzlehne gelegt preschte er rückwärts von der Hauptstraße. In der nächsten Sekunde trat er auf die Bremse und driftete quer um eine Hausecke, was den BMW wieder in Fahrtrichtung brachte.
Constanze verschlug es den Atem. Silas’ Fahrstil passte plötzlich exakt zu seinem Wagen. Wie hatte sie bloß jemals annehmen können, das Coupé wäre ein nettes Spielzeug? Das war es mitnichten. Es gehörte zur Ausstattung des Magiers.
Silas sah in den Rückspiegel, dann drückte er das Pedal bis zum Anschlag durch. Der Wagen schnellte mit neu entfesselter Kraft nach vorn. Als Constanze dämmerte, worauf Silas es abgesehen hatte, standen ihr die Haare zu Berge. Er steuerte auf eine sehr schmale Seitengasse zu. Er konnte doch nicht … nicht in diesem wahnsinnigen Tempo.
Silas hielt ungerührt auf den engen Durchgang zu.
In blinder Panik riss Constanze die Arme vors Gesicht, rechnete fest damit, gleich an einer Hauswand zu zerschellen – doch nichts geschah. Sie rasten unverändert weiter.
Keuchend senkte sie die Arme. »Grundgütiger!« Ohne den Blick von den dicht vorbeirauschenden Hauswänden zu nehmen, saß sie stocksteif da. Wie Silas es schaffte, ohne einen Kratzer da hindurchzufahren, blieb ihr ein Rätsel. Dazu brauchte es einiges an Nerven – und mit Sicherheit jede Menge Erfahrung. Constanze schluckte. Silas besaß offensichtlich beides. Sie kannte so einige Fähigkeiten des Magiers nicht.
Sie blickte nach hinten. Niemand war zu sehen. Vorerst. »Wer ist der Kerl?«
Silas griff ins Schulterhalfter. »Wenn es nicht gerade dein Versicherungsvertreter ist …«, er lächelte freudlos, »schätze, dann bleiben nicht viele Alternativen. Dieser Typ fährt einen Mietwagen, trägt Handschuhe und schießt mit einer 9-mm Halbautomatik.«
Constanze starrte ihn an. Jetzt begriff sie, warum er rückwärtsgefahren war. Silas hatte sich ihren Gegner angesehen. Während sie lediglich registriert hatte, dass ihr Verfolger eine Sonnenbrille trug, wusste Silas schon beinahe dessen Konfektionsgröße. Es war beängstigend, wie viele Informationen der Magier mit einem einzigen Blick speicherte. Und genauso beängstigend war die Ursache seiner Aufzählung. »Du denkst, es ist der neue Killer?« Sie wagte kaum, es auszusprechen.
Er nickte grimmig. »Sieht leider ganz danach aus.«
»Gott, nein!« Constanze sah sich panisch um. »Und was tun wir jetzt?« Als sie den anderen Wagen
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