Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
unmöglich gewesen, sich vor ihm auszuziehen. Wie schnell sich Dinge ändern konnten.
Silas befreite ihren Zopf aus dem Kragen und krempelte ihr galant die Hemdsärmel zurück. »Das Betttuch hat mir zwar besser gefallen, aber ich beuge mich dem Pragmatismus.«
»Es wird dir auch nichts anderes übrig bleiben.« Constanze sah ihm lächelnd zu. »Wie kommen wir eigentlich in mein Haus? Wir haben keinen Schlüssel.« Der hing wahrscheinlich noch an seinem Haken neben der Garderobe.
»Nachdem inzwischen die halbe Stadt bei dir zu Hause war, dürfte das wohl kein Problem sein. Und selbst wenn … glaubst du wirklich, ich brauche einen Schlüssel, um irgendwo reinzukommen?«
Constanze musste lachen. »Nein.«
»Dann lass uns gehen.«
Auf dem Weg zur Haustür streifte er sich das Waffenhalfter über und Constanze dachte schlagartig daran, dass ihr Vorhaben nicht ganz so ungefährlich war, wie er ihr glauben machte. Leicht nervös wartete sie, bis Silas das Alarmsystem eingestellt hatte.
Eine halbe Stunde später stand Constanze erschüttert in den Überresten ihres Wohnzimmers. Ihr Heim sah noch schlimmer aus als befürchtet. Von außen hatte es, vom gelben Absperrband der Polizei einmal abgesehen, völlig unberührt gewirkt. Im Inneren jedoch bot es ein Bild der Verwüstung. Der Holzboden war verkohlt und an den Stellen, an denen die Handgranaten explodiert waren, gesplittert. Schaurige Muster von Einschusslöchern zierten die Wände und überall roch es nach verbranntem Kunststoff.
Hoffentlich hatte Mr. Pepper überlebt.
Silas griff wortlos nach ihr und zog sie in die Arme. Die Lippen an ihre Schläfe gelegt, drückte er sie an sich. »Es ist nur ein Haus. Das Wichtigste ist, dass du und Eliah am Leben seid.«
Constanze verdrängte die aufkeimenden Tränen. Er hatte recht. Die Geschichte hätte schlimmer ausgehen können, viel schlimmer. Alles Materielle ließ sich irgendwie ersetzen. Auf Menschen traf das nicht zu. Und davon gab es mittlerweile genau zwei, die ihr wichtig waren. Wenn sie die Wahl zwischen ihrem gemütlichen Haus und einem Leben mit Silas in einer Blechbude gehabt hätte, wäre ihr die Entscheidung leicht gefallen. Sie sah zu ihm auf. »Wir müssen nach Mr. Pepper suchen. Er ist bestimmt irgendwo in der Nähe.«
Silas schüttelte den Kopf. »Dafür haben wir keine Zeit, das müssen wir nachts machen. Gib ihm nur etwas Futter. Wir sollten uns beeilen«, erinnerte er sie leise.
»In Ordnung.« Sie machte sich auf den Weg in die Küche und zerrte das Futter aus dem Schrank. Erleichtert sah sie, dass der Napf säuberlich ausgeleckt war. Silas hatte recht, sie konnten unmöglich Zeit mit Suchen vergeuden. Der Kater kam mit der Futtermenge, die sie ihm hinstellte, ein bis zwei Tage gut über die Runden.
Sobald sie fertig war, kehrten sie ins Wohnzimmer zurück. Constanze nahm die Papiere an sich, die nicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren, und stopfte alles in ihre Tasche. Silas behielt währenddessen die Umgebung im Auge. Er stand völlig entspannt da, aber Constanze kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass seine Reaktion auf eine Gefahr wie aus der Pistole geschossen käme. Wie brisant die Situation wirklich war, erkannte sie daran, dass er nie die Hand weit von der Waffe entfernte, egal was er tat. »Wohin als Nächstes?«, fragte er über die Schulter.
»Nach oben.« Constanze musterte kritisch die Treppe.
Erst nachdem Silas geprüft hatte, ob die Stufen ihrem Gewicht standhielten, ließ er sie ins Obergeschoss. Er tat das in seiner üblich effektiven Weise. Einfach, indem er vorausging.
Während Constanze hastig in Jeans und T-Shirt schlüpfte und die nötigsten Sachen für Eliah und sich in zwei Reisetaschen stopfte, harrte er unbewegt am Fenster aus.
Als sie die Reißverschlüsse der Taschen zuzog, drehte er sich um. »Fertig?«
»Ja.«
Er kam auf sie zu und schnappte sich das Gepäck. »Dann lass uns schleunigst verschwinden.«
An der Haustür hielten sie inne. »Was auch passiert, du bleibst hinter mir, verstanden?«, befahl Silas leise.
Sie folgte ihm so dicht, dass nicht einmal ein Blatt Papier zwischen ihre Körper gepasst hätte. Als sie unbehelligt das Auto erreichten, fiel ihr ein Steinbruch vom Herzen. Ohne sich länger aufzuhalten, schob Silas Constanze in den Wagen, warf die Taschen in den Kofferraum und fuhr los.
Constanze blickte ein letztes Mal auf ihr Haus, das schnell im Rückspiegel kleiner wurde. Beklommen wandte sie sich ab. Es gab keinen
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