Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
öffnete sie die breite Flügeltür, die das Schlafzimmer vom Gang trennte, und schlüpfte hinaus.
Es kam ihr wie Stunden vor, bis sie das obere Stockwerk verlassen und die Treppe hinter sich gebracht hatte. Das Haus lag dunkel und schweigend da, nichts rührte sich. Auch nicht, als sie ins Büro schlich. Es gab etwas, das sie unbedingt mit sich nehmen musste. Papiere, die den wahren Inhalt von Michaels Stiftung bewiesen. Da Constanze aufgrund ihrer Ordnung und schnellen Auffassungsgabe die Buchhaltung für seine Geschäfte mitbetreute, wusste sie genau, wo sich die wichtigsten Unterlagen befanden. Ihr Finger bebten so stark, dass sie den Sicherheitscode zweimal eingeben musste, ehe der hinter der Holztäfelung eingelassene Tresor aufsprang.
Sie klemmte sich die wichtigste Mappe unter den freien Arm. Sobald sie wieder in der Halle stand, stopfte sie die Unterlagen in die Reisetasche, fischte den Autoschlüssel ihres Minis aus dem Fach und verschwand samt Eliah durch den Dienstboteneingang. Nicht eine Sekunde lang erwog sie, den schwarzen CLK zu nehmen, den ihr Mann ihr zum ersten Hochzeitstag geschenkt hatte. Der Wagen erinnerte sie zu sehr an Michael. Groß und protzig.
Lautlos trat sie in die sternenklare Nacht hinaus. Ihr Wagen stand etwas abseits vom Haupthaus auf seinem Stellplatz. Im Stillen dankte sie dafür, dass sie das Fahrzeug am Nachmittag nicht in die Hausgarage gefahren hatte.
Sie schnallte Eliah in seinen Kindersitz, was ihn unruhig werden ließ, und strich über seine weiche Wange. Er blinzelte, schlief aber weiter. Als sie die Tasche neben ihn hievte, blitzte der Verband unter den Ärmeln des Pullover hervor und machte ihr wieder bewusst, was in dieser Nacht alles geschehen war. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Was sie tat, war das einzig Richtige, auch wenn es bedeutete, ihr gesamtes Leben hinter sich zu lassen.
Mit klopfendem Herzen startete sie den Motor und bangte vor im Haus aufflammendem Lichtern. Hastig betätigte sie den Knopf für das elektrische Hoftor, dann fuhr sie, so ruhig es ihre Nerven zuließen, die lange Auffahrt entlang, den Blick stetig zwischen Rückspiegel und Eliah wechselnd. Erst als sie mehrere Hundert Meter von der Villa entfernt war, gab sie Gas. Den gefährlichsten Teil ihrer Flucht hatte sie hinter sich, doch nicht einmal dieses Wissen vermochte ihre verkrampften Muskeln zu lockern.
Die diensthabende Polizistin musterte Constanze entgeistert, als sie mit Eliah auf dem Arm um drei Uhr nachts die Wache betrat.
»Was um Himmels willen ist mit Ihnen passiert?« Die Beamtin kam um die Trennwand herum und musterte betroffen ihr Gesicht. »Sind Sie überfallen worden? Hat man Sie angegriffen?«
Obwohl Letzteres gewissermaßen zutraf, schüttelte Constanze den Kopf. »Nein, ich …« Schock und Blutverlust forderten ihren Tribut und ließen ihre Stimme versagen.
Die Polizistin reagierte sofort und drückte sie auf den nächsten Stuhl. Inzwischen war ein Kollege aus dem Nebenraum eingetroffen und legte Constanze eine Decke um die Schultern.
Sie drückte Eliah fest an sich und holte tief Luft. »Ich bin Constanze von Richtstetten, die Frau von Michael von Richtstetten.« Ihre Stimme klang erstaunlich fest. Sie schluckte und räusperte sich, während die Beamten einen bedeutungsvollen Blick tauschten. Der Name war fast genauso bekannt wie Baden-Badens römische Thermen. »Ich möchte meinen Mann anzeigen.« Sie schluckte. »Wegen Körperverletzung und illegalen Waffenhandels. Ich habe Unterlagen bei mir, die das beweisen werden, und bitte im Gegenzug um Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm.«
Constanze kam in den seltenen Genuss zu sehen, wie zwei erfahrenen Polizisten gleichzeitig das Kinn hinunterklappte.
2.
Der Besuch des Magiers
3 Jahre später
G iovanni Lombardi betrat den Aufzug seiner Penthouse-Wohnung. Das ihm gehörende Gebäude lag in einer der vornehmsten Gegenden Hamburgs, direkt an der Alster.
Während er auf die Taste für die neunte Etage hämmerte, betrachtete er sich in der verspiegelten Wandfläche. Er fuhr sich glättend über die Haare und lockerte mit rohem Griff seine Krawatte. Wenn Paolo weiterhin derart schlechte Ware lieferte, musste er sich bald nach einem anderen Schlepper umsehen. Die kasachischen Mädchen der letzten Übergabe waren allesamt krank gewesen und einige davon auch noch so hässlich, dass er sie beim besten Willen nicht einsetzen konnte. Seine Kunden wollten Klasse, keine Bauernmägde.
Die Türen des
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