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Wie weiter?

Wie weiter?

Titel: Wie weiter? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Gysi
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gegenwärtigen Krise legt nahe, dass wir es mit einer Staatsschuldenkrise zu tun hätten. Das gängige Rezept lautet daher, die öffentlichen Ausgaben – und das sind neben Investitionen und Bildungsausgaben auch Sozialleistungen und Gehälter im öffentlichen Dienst – drastisch abzusenken. Dabei wird zweierlei übersehen. Erstens führt eine drastische Absenkung öffentlicher Ausgaben zu einer abrupt nachlassenden Binnennachfrage und wirkt daher wachstumsfeindlich. Damit gehen dem Staatswesen Einnahmen, insbesondere Steuereinnahmen, verloren, das Defizit vergrößert sich. In Griechenland hat die Ausgabensenkungspolitik zu einem Anwachsen der Staatsschulden um 60 Milliarden Euro bzw. 20 Prozent geführt. Außerdem wird die Ursache übersehen, richtiger: nicht genannt: Länder wie Irland oder Spanien waren hinsichtlich ihrer Schuldenquote einst neoliberale Musterstaaten der Banken, Versicherungen und Hedgefonds sowie der Übernahme ihrer Schulden durch das Gemeinwesen. Erst die Finanzkrise hat, ebenso wie in Griechenland, die Staatsschulden derart ansteigen lassen. Dass durch Ausgabensenkung die Binnennachfrage gedrosselt wird, sieht die herrschende Doktrin auch, sie empfiehlt dennoch Maßnahmen zur Steigerung der »Wettbewerbsfähigkeit«.
    »Wettbewerbsfähigkeit« ist aber nur ein anderes Wort für billigere Angebote und damit Exportorientierung.
    Aber nicht alle Volkswirtschaften können hauptsächlich exportieren. Wenn Deutschland, als starke Exportnation, Leistungsbilanzüberschüsse erzielt, muss es immer auch Importe anderswo geben, die dort bezahlbar sein müssen. An diesem Punkt wird diese Krisendeutung, mitsamt dem zugehörigen Therapievorschlag, inkonsistent.
    Will man diese Inkonsistenz beseitigen, muss man auf den Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzüberschuss und Verschuldung, aber auch der Lohnentwicklung, reflektieren. Verschuldung infolge von Leistungsbilanzdefiziten kann als private Massenverschuldung auftreten. Das löste im Übrigen die Finanzkrise zunächst in den USA aus. Oder sie tritt eben als öffentliche Verschuldung auf.
    Wie aber erzielen Überschussstaaten Leistungsbilanzüberschüsse? Indem sie mehr exportieren als importieren. Dieses Mehr besteht aber – zumindest in Deutschland – aufgrund einer Senkung der Lohnstückkosten infolge einer fallenden Reallohnentwicklung sowie einer ungerechten Steuerpolitik.
    Das Ungleichgewicht in den Leistungsbilanzen hat eine wesentliche Ursache in Ungleichgewichten der Primärverteilung. An dieser Stelle muss eine Krisenbekämpfungsstrategie ansetzen. Koordiniert werden dürfen in der Eurozone nicht nur die sogenannten »Stabilitätskriterien« Inflationsrate und öffentliche Verschuldung, sondern auch Besteuerung, Lohnentwicklung und Sozialausgaben.
    Was ist nun der »Euro-Rettungsschirm«?
    Darunter versammeln sich mehrere Maßnahmebündel, insbesondere aber die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), der als EFSF-Nachfolger konzipierte Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) und – als völkerrechtlicher Vertrag – der Fiskalpakt.
    Der ESM soll ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro bereitstellen können. Aufgrund der fortschreitenden Krise wurde jedoch beschlossen, die bisher vergebenen Kredite durch die EFSF in Höhe von rund 200 Milliarden Euro nicht auf das Kreditvolumen des ESM zu übertragen, d. h. den über den ESM zur Verfügung stehenden Betrag nicht um diese Summe zu reduzieren. Außerdem sollten in einer Übergangszeit bis Juni 2013 im Notfall auch die noch nicht vergebenen Mittel der EFSF von gut 200 Milliarden Euro zusätzlich vergeben werden.
    Finanzieren muss sich der ESM an den Finanzmärkten. Um ein gutes Rating zu bekommen, wird eine Haftungssumme verlangt, die über dem Rahmen des Kreditvolumens liegt, den der ESM bereitstellen will, nämlich 700 Milliarden Euro. Davon sind 80 Milliarden Euro als Direkteinzahlung durch die Euroländer aufzubringen, anteilig nach ihrem Kapitalanteil an der EZB. Das belastet natürlich die Staatshaushalte. Für die Bundesrepublik Deutschland wären das 21,7 Milliarden Euro. Die restlichen 620 Milliarden müssen durch Kredite, für die die Eurostaaten aber haften, bereitgestellt werden.
    Durch die Verknüpfung mit dem Fiskalpakt werden dramatische Kürzungsprogramme zur Pflicht.
    Der Fiskalpakt ist ein völkerrechtlicher, zwischenstaatlicher Vertrag, der neben dem Lissabon-Vertrag existiert und zwischen fast allen EU-Mitgliedstaaten vereinbart worden ist, ausgenommen

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