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Wie weiter?

Wie weiter?

Titel: Wie weiter? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Gysi
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einwirken kann, um Ziele wie soziale Gerechtigkeit, demokratische Steuerung ökonomischer Prozesse, demokratische Einhegung ökonomischer Machtballungen etc. verfolgen zu können.
    Mit dem Sozialstaatsprinzip, den Vergesellschaftungsoptionen und dem Demokratieprinzip hat sich die Bundesrepublik im Grundgesetz auf die soziale Demokratie festgelegt. Durch die Beschränkung, eigentlich Kappung des eigenständigen Haushaltsrechts der Parlamente beraubt sich die Bundesrepublik eines der zentralen Elemente einer demokratischen und sozialstaatlichen Verfassung. Solche Souveränitätsrechte hätten nicht an europäische Strukturen übertragen werden dürfen. Im Übrigen verbietet das Demokratieprinzip die Übertragung auf Strukturen von geringerem Niveau demokratischer Willensbildung.
    Das aber ist der Fall.
    Zu Recht meinte Kurt Beck (SPD) damals im Bundesrat, dass man die Rede von einem »Staatsstreich« sehr ernst nehmen müsse. Später hat er sich dazu entschieden, beim Staatsstreich mitzumachen.
    Ein Mosaikstein in der Institutionalisierung der »Euro-Rettung« ist das sogenannte »Neuner-Gremium«. Hier kann man sehr gut zeigen, wie viel Demokratie zulässig ist, damit die Märkte sich nicht gestört fühlen.
    Es handelt sich um ein Geheimgremium aus neun Mitgliedern des Haushaltsausschusses, das über europäische Ankäufe auf Sekundärmärkten mit befinden darf. Ursprünglich sollte es noch mit einigen Kompetenzen mehr ausgestattet sein, nämlich so ziemlich alles beschließen dürfen, was im Zuge der Euro-Rettung eigentlich Aufgabe des Bundestages wäre.
    Man muss sich die Dimension klar machen. Deutschland hat einen Haftungsanteil an der EFSF und dem ESM, der die Größe eines Bundeshaushalts übersteigt.
    Das sollte in den Händen von neun Leutchen liegen. Es ist klar, dass das Bundesverfassungsgericht dieser parlamentarischen Selbstentmachtung seinen uneingeschränkten Segen verweigern musste. Zwar hat es das Gremium nicht völlig gekippt, aber deutlich eingeschränkt. Die Bundesregierung hat es nun amtlich, dass sie Konflikte mit der Verfassung sucht.
    Alternativen gibt es immer. Wichtig ist, dass die Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten abgekoppelt werden muss. Der Umweg der Staatsfinanzierung muss beseitigt werden. Private Banken finanzieren sich bei der EZB zu einem niedrigen Leitzins, um dann zu hohen »Risiko«-Zinsen Staatsanleihen zu erwerben – sie holen sich also Geld von Staaten, um es deutlich teurer den Staaten wieder zur Verfügung zu stellen.
    DIE LINKE hat dazu die Einrichtung einer öffentlichen Bank vorgeschlagen, die sich Geld bei der EZB leiht, um es in bestimmten Situationen an Staaten weiterzuverleihen. Unter Umgehung der großen privaten Banken.
    So verlieren Ratingagenturen und Finanzmärkte ihr Erpressungspotenzial, und es kann ein Schuldenschnitt vorgenommen werden, ohne die Folgen eines negativen Ratings fürchten zu müssen.
    Eventuell führen dann Abschreibungen im Bankensystem zu einem Rekapitalisierungsbedarf. Dann ist aber die Vergesellschaftungsoption von privaten Großbanken – wie in Schweden vollzogen – noch ernsthafter zu diskutieren.
    Wenn ein kleines oder mittleres Unternehmen in ernste Schwierigkeiten gerät, lässt man es ungerührt pleitegehen. Großbanken und Konzerne können sich gegenwärtig darauf verlassen, dass ihnen von staatlicher Seite selbst im Zeitalter des Neoliberalismus geholfen wird. Bezahlen müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Hier ist eine Sozialisierungsreife erreicht.
    Natürlich verursacht so etwas auch Kosten. Aber die würde es ohnehin geben. Nur bekommt man dann auch Gewinne. Deshalb ist die Frage der Vergesellschaftung hier aktuell. Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen haben uns nicht in die Krise geführt, im Gegenteil.
    Zurück zur Entkopplung der Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten. Sie kann die Zinslast der Altschulden verringern. Damit kann eine niedrigere Neuverschuldung auch ohne sozial- und wirtschaftsfeindliche Kürzungsprogramme umgesetzt werden. Auf jeden Fall muss der Finanzsektor wieder stark reguliert werden, damit das Risiko erneuter Finanzkrisen minimiert wird.
    Das Ziel solide finanzierter öffentlicher Haushalte lässt sich nicht mit sozial- und wirtschaftsfeindlichen Haushaltskürzungen erreichen, sondern nur unter Einbeziehung des exorbitant gewachsenen Reichtums, der sich immer mehr in wenigen Händen konzentriert. Die Millionäre, obwohl sie nur rund ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, haben

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