Wie weiter?
Großbritannien und Tschechien. In Kraft tritt dieser Vertrag bereits mit der Ratifizierung durch 12 der insgesamt 17 Euroländer. Damit soll das »Volksabstimmungsrisiko« ausgebremst werden.
Der Vertrag legt die Vertragsstaaten auf einen Abbau der Staatsverschuldung fest. Die Zielkriterien sind eine gesamtstaatliche Schuldenquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Obergrenze – Deutschland hat derzeit eine Quote von 81,2 Prozent – sowie eine strukturelle Neuverschuldung von maximal 0,5 Prozent des BIP.
Die strukturelle Neuverschuldung ist eine volkswirtschaftliche Größe, die dadurch gebildet wird, dass aus der realen Neuverschuldung die konjunkturellen Einflüsse herausgerechnet werden. Dabei ist zu beachten, dass diese Größe nicht nur von den realen Ausgangsdaten abhängig ist, sondern von der gewählten Berechnungsmethode.
Schließlich legt der Vertrag eine Schuldenabbauregel fest, die 1/20-Regel. Sobald der Schuldenstand die 60-Prozent-Obergrenze überschreitet, muss die Differenz zur Obergrenze jährlich durchschnittlich um 1/20 der Schuldenquote abgebaut werden.
Wenn ein Vertragsstaat seinen aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen nicht nachkommt, wird automatisch ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der Kommission muss dann die Haushaltsplanung vorgelegt werden, gegen die sie ein Veto einlegen kann.
Das Europäische Parlament spielt dabei keine Rolle, es sitzt nicht einmal am »Katzentisch«.
Aber es gab eine Einwendung durch das Bundesverfassungsgericht. Die Bundesregierung war der Auffassung, ihrer Informationspflicht gegenüber dem Bundestag nicht nachkommen zu müssen, da es sich um keine EU-Angelegenheit handele. Das Bundesverfassungsgericht teilte der Bundesregierung allerdings mit, dass es die Dinge anders sehe. Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Die Verteilung von Lasten und Gewinnen
Staatsverschuldung ist aus anderer Sicht allerdings ein Problem. Sie trägt zur privaten Aneignung des Reichtums, also einer sozial ungerechten Verteilung des Nationaleinkommens, bei. Von den 73 Milliarden Euro, die aus dem ersten »Hilfspaket« an Griechenland ausgezahlt worden sind, flossen seit April 2010 rund 70 Milliarden direkt in die Hände von Banken und anderen großen privaten Gläubigern.
Verschärfend kommt hinzu, dass die Kredite der EU an Kürzungsprogramme geknüpft sind, die die griechische Bevölkerung für ihre angebliche »Rettung« teuer bezahlen muss. Resultat: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent, und die Wirtschaft ist inzwischen um rund 20 Prozent eingebrochen.
Ein sinnloses Opfer, denn durch Rezession und gesunkene Steuereinnahmen ist die Verschuldung des griechischen Staates weiter gestiegen und die Rückzahlung der Darlehen nur durch die Aufnahme neuer Kredite überhaupt denkbar, letztlich und irgendwann unmöglich.
Bereits unmittelbar nach Einsetzen der rabiaten Kürzungspolitik wird der Sozialabbau eingeleitet.
Hinzu kommt: Durch Inkrafttreten des Fiskalpakts müsste in Deutschland schneller und radikaler in den öffentlichen Haushalten gekürzt werden. Das liegt daran, dass die bisherigen Vorgaben der deutschen Schuldenbremse von den Ländern erst 2020 und vom Bund 2016 hätten eingehalten werden müssen.
Diese Übergangsregeln fallen durch den Fiskalvertrag weg. Die neue Schuldenbremse gilt gleich.
Zweitens enthält die deutsche Schuldenbremse keine 1/20-Regel zum Abbau bestehender Schulden. Deutschland liegt rund 20 Prozentpunkte über dem im Fiskalvertrag festgelegten Richtwert. Das erfordert Wirtschaftswachstum und/oder zusätzliche Kürzungen.
Drittens sind die Möglichkeiten, aus konjunkturellen Gründen vom Neuverschuldungsverbot abweichen zu können, im Fiskalpakt deutlich eingeschränkt worden.
Viertens umfasst der Fiskalpakt auch die Kommunen. Insgesamt müsste Deutschland bei Inkrafttreten des Fiskalpakts mindestens rund 25 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einsparen, um den Schuldenabbau erreichen zu können. Das entspricht ungefähr der kompletten Summe, die der Bund jährlich für Hartz IV ausgibt.
Natürlich kann die Wirtschaftsleistung wachsen, so dass sich die Summe reduzierte. In Zukunft ist das aber nicht einschätzbar. Ein gewaltiges Risiko bleibt.
Niemand aus der Regierung sagt, wie und wo die Einsparung erfolgen soll.
Aber auch grundsätzliche Demokratieerwägungen sind hier einschlägig. Soziale Demokratie bedeutet immer, dass ein demokratisch verfasster Staat auf sich selbst regulierend
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