Wie wollen wir leben
innerparteilichen Streitigkeiten in München bin ich mit meinen Gegnern hin und wieder zu heftig umgegangen. Manche ihrer ÃuÃerungen habe ich auch zu wörtlich genommen.
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Das wäre aber durch die Eitelkeit abgedeckt, oder?
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Eher war es mangelnde Selbstbeherrschung. Ein Fehler fällt mir jetzt noch ein. Manchmal habe ich eine gewisse Neigung, Dinge im Zweifel besser zu wissen als andere. Pedanterie und Besserwisserei â das ist mir nicht ganz fremd. Auch tue ich mir mit dem Delegieren von Arbeiten schwer.
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Aber das wäre doch keine Todsünde!
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Nein, aber eine Sünde wäre es zu lügen. Dass ich im politischen Bereich gelogen hätte, glaube ich aber nicht. Vielleicht müsste man da meine damaligen Gegner fragen. Es gab jedoch eine andere Sache, bei der ich mich schwergetan habe, das war bei der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Das war ja auch ein Konflikt mit meiner Kirche.
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Jedoch kein Verstoà gegen eine Tugend, die Sie sich selbst auferlegt hatten?
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Das ist zwar richtig, aber es war ein Wertekonflikt. Heute kann man sagen, dass wir ein Schwangerschaftsrecht haben, das zu den lebensfreundlichsten in ganz Europa gehört. Mit intensiver Beratung und Hilfe, das aber die letztendliche Entscheidung der Frau respektiert.
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Das heiÃt, von Ihrem christlichen Wertegefüge her hätten Sie im Prinzip die Liberalisierung des Paragraphen 218 ablehnen müssen?
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Aus kirchlicher Sicht ja. Aber ich persönlich halte die gefundene Regelung für mit dem christlichen Wertegefüge vereinbar. Dabei erinnere ich an den Konflikt um die Beratungstätigkeit von »donum vitae«.
Ãber Josef Ackermanns Wertefundament, Wutbürger und globale Mühsal
Ein anderer Aspekt der Wertediskussion: Ãkonomischer Erfolg war häufig gleichbedeutend mit dem Wohlstand der Bürger. Demnach hätte Herr Ackermann das richtige Wertefundament und Sie das falsche.
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Langsam. Die Einzelproblematik der Millionenempfänger, der Millionenvergütungen ist zu trennen von der Frage, ob für den Wohlstand der Bürger der ökonomische Erfolg und damit das Wachstum des Bruttosozialprodukts das allein entscheidende Moment ist. Wenn es wächst, ist anscheinend alles in Ordnung. Wenn es stehen bleibt oder sinkt, läuten die Alarmglocken. Das bezweifle ich aber.
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Firmengewinne, Bankengewinne, persönlicher Besitz, wer was verdient â das sind unsere MaÃstäbe.
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Ich bleibe einmal beim Bruttosozialprodukt. Was trägt dazu bei, dass es steigt? Da gibt es doch auch negative Faktoren. Behebung von Umwelt- oder Unfallschäden zum Beispiel oder sinnlose Ausgaben. Dann ist aber vor allem die Frage zu stellen: Ist die Vorstellung von einem guten beziehungsweise erträglichen Leben wirklich in erster Linie vom Wachstum abhängig? Kommt es nicht eher auf die Lebensqualität an? Müssen wir nicht viel deutlicher unterscheiden, was wachsen soll und was nicht wachsen soll? Das ist ein Kapitel, mit dem wir uns in Zukunft intensiv zu beschäftigen haben. Dass Firmen Gewinn anstreben, ist ein Bestandteil unserer Marktordnung. Sie müssen das ja auch, um investieren zu können. Aber was fangen sie mit dem Gewinn an, der darüber hinausgeht? Es gibt übrigens Unternehmen, die sich den Regeln der Gemeinnützigkeit unterwerfen und trotzdem erfolgreich sind. Und was die Gewinnmaximierung angeht, da sollten auch Obergrenzen eine Rolle spielen, deren Ãberschreitung für mich MaÃlosigkeit
â neuerdings spricht man von Gier â bedeutet. Eine Aussage wie: »Unser Ziel ist ein Jahresgewinn von 25 Prozent«, hat mir bisher in keiner Weise eingeleuchtet.
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Aber in der Bankenwelt ist das ganz selbstverständlich.
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Da waren in letzter Zeit eher Verluste in mindestens dieser Höhe selbstverständlich.
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Wie würden Sie Ihr Wertefundament einem Josef Ackermann beibringen wollen, wenn er es nicht von allein findet?
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Wenn er das wünscht, würde ich zunächst einmal ein Gespräch mit ihm führen.
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Aber Sie verstehen, worauf ich hinauswill?
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Das ist mir schon klar. Dazu könnte ich anmerken: Wir erleben gerade eine Phase der Individualisierung â und das ist auch etwas Gutes, wenn Menschen aus eigener Ãberzeugung handeln und nicht, weil sie einem bestimmten Milieu angehören und einfach mit den anderen mitlaufen, mitmarschieren. Weh tut es
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