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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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Justizminister habe ich mich über manche Entscheidungen geärgert und gesagt: »Wie kommt ihr denn dazu? Ihr mischt euch zu stark in die Politik ein!« Aber wenn man die Rechtsprechung insgesamt verfolgt, kann ich nur den Hut vor dieser Institution ziehen. Und wissen Sie, das ist auch eine, die offenbar das Vertrauen der Menschen genießt. Haben Sie schon Wutbürger gegen das Karlsruher Gericht auftreten sehen? Kann man sich das vorstellen? Ich nur schwer.
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    Stellt man sich den Herausforderungen unserer Zeit, kann man sehr viele Blickwinkel haben, regional, überregional, global. Mich würde interessieren, welches Ihr persönlicher Blickwinkel ist, wenn Sie diese Frage beantworten: Was sind die wichtigsten Herausforderungen, die sich uns als Gesellschaft, als Gemeinschaft stellen?

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    Zunächst einmal ist das in meinen Augen die Globalisierung, die Tatsache, dass mehr und mehr Probleme nur noch auf der Weltebene, also von der Menschheit insgesamt, gelöst werden können. Ich hege in diesem Zusammenhang durchaus Sympathie für den Begriff »Weltinnenpolitik«. Neben der Globalisierung ist die technische Entwicklung eine weitere Herausforderung für die Zukunft. Auch dieses Problem ist ein globales, und es steht in enger Verbindung mit der gefährlichen Veränderung, aber auch der Rettung unseres Klimas. Angesichts von Katastrophen wie in Fukushima oder der Unruhen in den arabischen Ländern haben wir dieses Thema ein wenig aus dem Blickfeld verloren, aber es wird rasch wieder zurückkehren. Bei der Globalisierung ist auch die Ökonomisierung zu erwähnen, Stichwort »Banken- und Finanzkrise«.
    Eine weitere Herausforderung ist die Verschiebung der weltpolitischen Gewichte. Es gab eine Zeit, in der die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion ungefähr gleich stark waren, danach folgte eine Phase, in der die USA nahezu unilateral den Lauf der Weltentwicklung bestimmt hat. Doch das hat sich schneller geändert, als es von vielen vorausgesehen wurde. Schon in den neunziger Jahren hat Helmut Schmidt immer wieder betont, dass wir auf eine Multipolarität zusteuern. Da er ein guter Kenner Chinas ist, wies er schon damals auf die Bedeutung dieses Landes hin. Und heute ist China im Zuge eines beispiellosen Modernisierungsprozesses zu einem wirtschaftlichen und politischen Faktor geworden, dessen Gewicht ständig wächst. Es ist übrigens auch ein gewaltiger Gläubiger der Vereinigten Staaten. Aber neben China gibt es – auch wenn wir es nicht ganz im Blick haben – Indien mit über 1,2 Milliarden Menschen. Es gibt ebenso Brasilien, das sich immer weiter nach vorne bewegt.
    Also, die Multipolarität ist eine Herausforderung, mit der wir in Zukunft zurechtkommen müssen, wobei innerhalb dieser Multipolarität die Vereinigten Staaten weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Für mich ist diese Entwicklung ein wesentliches Argument für die Meinung, dass ein Zerfall der Europäischen Union gerade das Gegenteil dessen wäre, was wir jetzt dringend
brauchen. Nur eine intakte Europäische Union kann in der Multipolarität mithalten. Die einzelnen europäischen Staaten und auch wir können es nicht.
    Eine globale Herausforderung ist weiter die demografische Problematik, denn anders als bei uns, wo die Bevölkerung abnimmt, ist die Zunahme der Weltbevölkerung geradezu explosiv. In meiner Schulzeit habe ich gelernt, dass es insgesamt 1,8 Milliarden Menschen gibt, jetzt sind es ungefähr 6,9 Milliarden, also in knapp siebzig Jahren über fünf Milliarden mehr.
    Kommen wir zur europäischen Herausforderung. Die verlangt nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und nach einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die unsere Euro-Währung stabilisiert und stützt.
    Es folgen dann die nationalen Fragen. Da ist zum einen der demografische Veränderungsprozess. Dazu gehören höhere Lebenserwartung, Pflegebedürftigkeit, überhaupt die gesamte Pflegeproblematik. Aber auch die Frage, ob man an starren Altersgrenzen festhalten soll. Warum sollen Menschen nicht bis siebenundsechzig, bis neunundsechzig arbeiten, wenn sie dies wollen und können? Ja, man braucht sie wahrscheinlich sogar. Migration ist ein Problem, soziale Gerechtigkeit, Bildung – bei diesen Gebieten wird die nationale Zuständigkeit nach wie vor ganz erheblich sein.
    Und bei all diesen Herausforderungen darf nicht vergessen

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