Wie wollen wir leben
bekannte Fälle, die FDP-Politiker Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis. Kann man eigentlich sagen: Wer bei einer Doktorarbeit schummelt, der eignet sich nicht mehr für öffentliche Ãmter?
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Wer eine Erklärung abgibt, in der steht, dass man alle Regeln der Wissenschaft â und das schlieÃt die Regeln für die Zitierweise ein â befolgt hat, und es stellt sich am Ende heraus, dass derjenige das Gegenteil getan hat, dann ist das ein Verhalten, das auch zu einer charakterlichen Beurteilung Anlass gibt. Wenn die betreffende Person sich auf diesem Gebiet so verhält, muss man fürchten, dass sie auch im Rahmen ihrer politischen Verantwortung
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Regeln bricht, wenn ihr das nützlich und hilfreich erscheint. Wer bei der Doktorarbeit abschreibt, setzt ein Fragezeichen in Bezug auf seine Person.
Und noch etwas zu Guttenberg: Er hat den richtigen Zeitpunkt für einen überzeugenden Rücktritt versäumt. Ein gutes Gegenbeispiel ist da der Rücktritt von Frau KäÃmann.
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Für einen groÃen Teil derjenigen, die den Rücktritt Guttenbergs bedauert haben, ist die wissenschaftliche Welt eine abgehobene Kaste, die mit sich selbst beschäftigt ist, weswegen der Betrug bei einer Doktorarbeit gar nicht ins Gewicht fällt.
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Das mag so sein. Aber generalisiert das nicht ein wenig?
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Nein, das sind ÃuÃerungen, die mir in privaten Gesprächen zu Ohren kamen. Oft genug hörte ich: »Was habt ihr« â gemeint sind die Medien â »mit dem zu Guttenberg gemacht, mit dem Armen?« Und auch im Internet ist diese Meinung oft zu lesen gewesen. Dort geht man weit über das hinaus, was in Zeitungen an Leserbriefen abgedruckt wird. Es gab dort zwar eine starke Anti-Guttenberg-Fraktion, aber auch eine, die vehement pro Guttenberg war.
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Da kann ich nicht mitreden, weil ich ja am Internet nicht teilnehme. Aber denken Sie daran: Wenn ein Abiturient abschreibt, gibt es doch auch keinen öffentlichen Aufschrei, wenn man ihn vom Abitur ausschlieÃt. Gibt es da Massenproteste? Also: Beim Abiturienten ist man mit Sanktionen einverstanden. Bei einem Bundesminister, der viel intensiver gegen Regeln verstoÃen hat, nicht. Warum eigentlich?
Ãber das Privatleben von Politikern, gelungene Rücktritte und Machtversessenheit
Wir hätten uns nicht damit beschäftigt, wäre der Aufruhr nicht so massiv gewesen. Aber die grundsätzliche Frage, wie weit die Prinzipien im persönlichen Leben übereinstimmen müssen mit dem, was man als Politiker tut, die ist schon erlaubt?
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Die ist erlaubt, die ist sogar notwendig. Wer im Dienste unseres Gemeinwesens tätig ist oder tätig werden will, der muss sein privates Verhalten im Einklang mit den Normen und Werten dieses Gemeinwesens halten â und das auf Dauer. Sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit und damit letzten Endes seine Legitimation.
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Ist ein bayerischer Ministerpräsident, der politisch über lange Zeit das traditionelle Familienbild einfordert, es aber im eigenen Privatleben nicht hinbekommt, dann noch tragbar als konservativer Politiker?
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Vor dreiÃig Jahren wäre das wahrscheinlich mit »Nein« beantwortet worden. Die Gesellschaft hat sich in diesem Bereich weiterentwickelt, ihre MaÃstäbe sind in dieser Beziehung nicht mehr die von früher. Da ist die Toleranz gewachsen. Wenn die unmittelbar Beteiligten mit einer solchen Situation zurechtkommen und eine Antwort für sich gefunden haben, dann muss man das meines Erachtens akzeptieren. Jedenfalls ist es kein Feld für politische Auseinandersetzungen.
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Was sind für Sie gute Rücktritte gewesen? Sie haben Margot KäÃmann erwähnt, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Aber wo haben Sie gute Rücktritte im politischen Bereich beobachten können?
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Ein Rücktritt, den ich sehr akzeptabel fand, war der von Erhard Eppler im August 1974, da war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
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Es wurde ihm das Budget gekürzt.
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Ja, die Ermächtigungen seines Ministeriums, für kommende Haushaltsjahre Verpflichtungen einzugehen, sollten gekürzt werden. Das beschränkte seine Wirkungsmöglichkeiten auf einem wichtigen Feld spürbar. Deshalb hat mir sein Rücktritt eingeleuchtet.
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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger? Ihr Rücktritt als Bundesjustizministerin im Januar 1996,
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