Wie wollen wir leben
als ihre Partei umfiel und sich doch für den GroÃen Lauschangriff aussprach?
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Ja, das war auch in Ordnung.
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Franz Josef StrauÃ?
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Das war ja kein freiwilliger Rücktritt. Das geschah in Folge der Spiegel- Affäre 1962, da wurde er von Konrad Adenauer schlieÃlich zum Rücktritt gezwungen, weil er im Parlament Fragen nicht wahrheitsgemäà beantwortet hatte.
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Willy Brandt?
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Ja, ja.
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Ernsthaft?
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Es war sein persönlicher Entschluss, sogar gegen den Rat von Helmut Schmidt. Brandt hat die politische Verantwortung für die Guillaume-Affäre übernommen und hat daraus die Konsequenz gezogen, zurückzutreten. Klugerweise hat er es in einer Weise getan, in der er noch über viele Jahre hinweg den Vorsitz der Partei ausüben und dann als Präsident der Sozialistischen Internationale eine erhebliche Rolle spielen konnte. Ja, ein gutes Beispiel.
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Heutzutage tritt man auch wegen Flugmeilen, Dienstwagen und Ãhnlichem mehr zurück. Gibt es so etwas wie die Bagatelle in der Politik?
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Bei Dienstwagen denken Sie sicher an die Auseinandersetzungen über den Spanienaufenthalt von Ulla Schmidt.
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Ja. Sie ist deswegen aber nicht als Gesundheitsministerin zurückgetreten.
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Ihr Verhalten war rechtlich nicht zu beanstanden. Die Frage ist eher, ob es gut war, diese Diskussion so zu führen â aber das ist wieder eine andere Kategorie. Aber welcher Minister ist wegen Bonus-Flugmeilen zurückgetreten?
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Cem Ãzdemir.
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Der war damals aber nicht in einem Ministeramt?
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Ãzdemir war 2002 Bundestagsabgeordneter. Gregor Gysi trat im selben Jahr wegen Bonusmeilen als Berliner Wirtschaftssenator zurück. Rudolf Scharping hatte ⦠nein, der hatte keine Meilenaffäre, sondern der hatte nur denselben Schneider wie Ãzdemir. Oder warâs derselbe Imageberater? Aber Scharping trat nicht zurück, sondern er wurde von Schröder entlassen, weil es da die sogenannte Honoraraffäre mit dem Frankfurter PR-Unternehmer Moritz Hunzinger gab.
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Rudolf Scharpings Fehler â ich schätze ihn unverändert â lag nach meiner Erinnerung doch auch auf einem anderen Feld. Letzten Endes musste er wohl wegen eines nicht sehr glücklichen Urlaubsfotos zurücktreten, das zu anderen Vorwürfen hinzukam. Bei Gysi war es die zweifelhafte Verwendung von Bonusmeilen.
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Ja, aber er ist bald wiedergekommen. Das wirkte damals so, als sei das für ihn eher ein Grund gewesen, sich aus der weniger passenden Tätigkeit im Berliner Senat zurückzuziehen und wieder in seine alte Funktion im Bundesparlament zurückzukehren. Aber es bleibt die Frage, ob es im politischen Bereich Bagatellen gibt?
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Nicht in dem Sinne, dass es nichts gibt, was zu klein ist, um zu sagen, hier wurden Regeln verletzt. Dennoch ist nicht jede â insbesondere nicht jede fahrlässige â Kleinigkeit ein ausreichender Rücktrittsgrund. Es kommt auch darauf an, wie der Betreffende öffentlich mit der »Kleinigkeit« umgeht.
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Seit Neuestem sind wir auch mit der Ich-bin-dann-mal-weg-Fraktion konfrontiert, zu der Menschen wie unser ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler gehören. Kurz nach seiner Wiederwahl gab er das Amt auf. Roland Koch zählt auch dazu. Für viele überraschend hat er den Entschluss gefasst, sich als Ministerpräsident von Hessen zurückzuziehen. Ãberraschend war es deshalb, weil man nie geglaubt hätte, dass er etwas anderes im Leben interessant findet als Politik. Ole von Beust ist
auch so ein Kandidat. Er erfährt privates Glück, und auf einmal erachtet er sein Amt als Hamburger Bürgermeister für nicht mehr so wichtig. In der Folge verliert die CDU die Landtagswahlen 2011 in der Hansestadt. Oskar Lafontaine ist ein ganz früher Vertreter dieser Ich-bin-dann-mal-weg-Fraktion. Wie ist denn das zu beurteilen, dass das Bohren dicker Bretter offensichtlich aus der Mode kommt?
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Es existieren auch heute noch durchaus Leute, die dicke Bretter bohren, und das über lange Zeit hinweg. Frank-Walter Steinmeier und Wolfgang Schäuble etwa. Aber ich will die einzelnen Fälle durchgehen, die Sie gerade genannt haben. Lafontaine â da unterscheide ich nach wie vor zwischen einem Lafontaine I und einem Lafontaine II. Der Lafontaine I hat als Oberbürgermeister von Saarbrücken und als saarländischer Ministerpräsident gute Arbeit
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