Wie wollen wir leben
geleistet. Und mit dem Anschlag, der auf ihn verübt wurde, ist er in einer beachtlichen Weise fertig geworden. Das habe ich alles aus nächster Nähe verfolgt und begleitet. Auch zum Wahlerfolg der SPD von 1998 hat er einen wichtigen Beitrag geleistet. Nur dann tat er etwas für mich völlig Unakzeptables. Er hat einen Parteivorsitz, den vor ihm Männer wie August Bebel, Kurt Schumacher und Willy Brandt innehatten, von einem Tag auf den anderen weggeworfen wie ein dreckiges Stück Holz. Und er hat die eigene Partei in der Bild- Zeitung in einer Art Kolumne regelmäÃig auf das Entschiedenste bekämpft â und das wohl nicht unentgeltlich. Er hätte in der Partei für seinen Standpunkt kämpfen müssen. Das hat er nicht getan. Lafontaine II unterscheidet sich deshalb grundsätzlich von Lafontaine I und kann deshalb den Respekt, den ich Lafontaine I auch heute noch bekunde, nicht beanspruchen.
Der Entschluss von Horst Köhler, von seinem Amt zurückzutreten, ist mir bis heute nicht recht erklärlich. Er hatte doch genügend Erfahrungen. Seine erste Amtszeit hat er akzeptabel bewältigt. Ich denke da unter anderem an sein Engagement für Afrika und seine ÃuÃerungen zur Finanzkrise. Aber warum er ein Jahr nach seiner Wiederwahl so reagierte, das ist mir ein Rätsel geblieben. Eine Verpflichtung, die man für fünf Jahre übernommen hat, darf man nicht ohne einen zwingenden Grund beiseitelegen. Dann nannten Sie noch Roland Koch. Okay, wenn einer zwölf Jahre in
einem solchen Amt ist, kann es schon sein, dass es ihm einfach reicht. Dennoch war sein Weggang überraschend. Ole von Beust würde ich kritischer betrachten. Er ging nämlich, als die von ihm begründete erstmalige schwarz-grüne Koalition in groÃen Schwierigkeiten war und seiner eigenen Partei gerade wegen seines Weggangs eine Wahlniederlage drohte. Das war kein guter Zeitpunkt.
Ãbrigens: Medien erhoben bisher häufig den Vorwurf, Politiker würden an ihren Ãmtern kleben. Jetzt hat der gegenteilige Vorwurf Konjunktur. Sehr glaubhaft ist das so ohne Weiteres nicht.
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Köhler hat inzwischen, im Juni 2011, in der Zeit eine Erklärung für seine Entscheidung abgegeben: »Ich bin zurückgetreten, um Schaden vom Amt abzuwenden. Die Angriffe auf mich im Zusammenhang mit meinen ÃuÃerungen über sicherheitspolitische Interessen Deutschlands waren ungeheuerlich und durch nichts gerechtfertigt.«
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Für mich ist das keine ausreichende Erklärung. Ungerechtfertigte Angriffe gegen Bundespräsidenten gab es auch schon früher. So etwa gegen Gustav Heinemann.
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Gegenüber dem, was man in der freien Wirtschaft verdienen kann, ist ein Politiker unterbezahlt. Der Beruf erfordert ein hohes Maà an Aufgabe eines persönlichen Lebens, zudem ist er nicht gut angesehen. Offensichtlich sagt sich da so mancher: »Muss ich mir das antun? Hab ich nicht etwas Besseres zu tun?« Wie kann man den Beruf des Politikers wieder so attraktiv gestalten, dass er als Aufstiegschance, als Aufgabe mit sozialem Prestige angesehen wird? Muss man Politiker besser vor öffentlichen Nachstellungen schützen? Was muss passieren?
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Das Bild, das Sie da vom Leben eines Politikers entworfen haben, trifft schon in vielen Fällen zu. Manche Medien akzentuieren und skandalisieren es noch zusätzlich. Auch sind positive Berichte und Urteile über einzelne Politiker eher selten. Da sollte sich einiges in Richtung mehr Fairness ändern. Aber das alles reicht als Begründung dafür nicht aus, sich dem Gemeinwesen zu verweigern. Im Grunde müsste sich jeder fragen: »Fühlst du dich dem Gemeinwesen verpflichtet? Bist du bereit, die schwierigen Seiten eines politischen Engagements in Kauf zu nehmen, weil das Gemeinwesen
engagierte Helfer braucht? Oder hast du nur deine eigene Entwicklung und deinen eigenen Vorteil im Auge?« Gelegentlich sollte man auch bestimmte Leute fragen: »Wenn ihr so viel an der Politik und den Politikern zu kritisieren habt, warum kommt ihr dann nicht selbst und macht es besser?« In meinem Leben habe ich beispielsweise nur ganz wenige Personen erlebt, die aus dem wirtschaftlichen Bereich in die Politik kamen. Sie blieben aber nicht lange.
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Vielleicht weil sie zu schlecht entlohnt werden. Muss man Politiker besser bezahlen?
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In den konkreten Fällen mag das eine Rolle gespielt haben. Für eine generelle
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