Wie wollen wir leben
erörtern und die Gründe zu erläutern, die für den Euro sprechen. Da hätte auch ein Mann wie Helmut Schmidt Gehör gefunden. Manchmal wird nämlich so getan, als würde ein Volksentscheid, den man heute verlangt, morgen stattfinden. So ist das nicht. Es wird monatelang diskutiert. Und wenn gesagt wird, das Volk könne sich doch irren, dann sage ich, dass sich weià Gott auch Parlamente geirrt haben. Und wenn andere behaupten, das Volk wisse nicht genügend Bescheid und sei zu emotional, dann könnte man mit diesem Argument ebenso die Wahlen in Frage stellen.
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Allein diese Veränderung â ein Volksentscheid auf Bundesebene â würde dazu beitragen, dass der Bürger wieder das Gefühl hätte, er könne mitentscheiden, mitbestimmen? Sind Sie davon überzeugt, dass man mit dieser Möglichkeit die Politikverdrossenheit bekämpfen kann?
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Es wäre ein Beitrag dazu, nicht das Allheilmittel.
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Wieso nutzt die Regierung, die Politik nicht viel stärker das Internet als Kommunikationsmittel mit dem Bürger? Ohne das Internet hätte Guttenberg vermutlich noch heute sein Amt. Nur so kam schnell heraus, wie viel tatsächlich kopiert wurde. Anders gesagt: Es gibt einen Beteiligungswillen der Bürger, er ist erkennbar, er manifestiert sich unter anderem in den Medien, die nicht kontrolliert werden â und dazu gehört das Internet. Trotzdem tut man weiterhin so, als ob man groÃe Entscheidungen in Hinterzimmern treffen könnte, im Zweifel vielleicht auch noch im Kabinett, aber nicht mehr unbedingt im Parlament. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
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Zunächst einmal: Dass wichtige Vorhaben erst formlos vorbesprochen, dann in den Fraktionen erörtert und anschlieÃend im Kabinett behandelt werden, ist doch völlig normal. Neu und für mich bedenklich ist der Umgang mit dem Parlament.
Das hat sich beim ersten Rettungsschirm gezeigt, beim zweiten Rettungsschirm, auch bei der Aussetzung der Wehrpflicht. Norbert Lammert, der Präsident des Bundestags, hat den Umgang mit dem Parlament in diesen Fällen ausdrücklich kritisiert. Dieser Kritik schlieÃe ich mich an. Und ich dehne sie auf den Umgang mit den Atomgesetzen aus. Allerdings kann es Situationen geben, wo der Fristendruck aufgrund der konkreten Situation so stark ist, dass man mit den Entscheidungen nicht Wochen und
Monate warten kann. Welche Rolle bei alldem für die Unterrichtung der Menschen und den Meinungsaustausch das Internet spielt, vermag ich â das erwähnte ich schon â als internetabstinenter Laie nicht zu beurteilen. Wahrscheinlich wächst seine Bedeutung auch in diesem Fall. Und für einen Textvergleich wie im Falle zu Guttenberg ist es allemal hilfreich.
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»Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« â nie war die Chance so hoch wie heute, das auch tatsächlich umzusetzen, und es wird nicht genutzt. Jedenfalls nicht ausreichend, gemessen an den Mitteln und Möglichkeiten, die man hat. Ich gebe Ihnen noch ein weiteres Beispiel, die Kandidatenkür: Als Steinmeier Spitzenkandidat der SPD wurde, als man sich für Herrn Stoiber und gegen Frau Merkel als Kanzlerkandidat(in) entschied, wie Horst Köhler letztlich als Bundespräsident ausgewürfelt wurde â all dies findet eigentlich ohne die Beteiligung der Bürger statt. Die dürfen nur noch abnicken. Die Parteien könnten doch ganz leicht die Kandidatenkür zu einer öffentlichen Sache machen, so wie es die Amerikaner auch tun. Der politische Wettkampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama hat dazu beigetragen, dass die Menschen sich wieder für Politik interessierten â und wir entscheiden so etwas in einem Einfamilienhaus in Wolfratshausen.
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Dieses Verfahren, das Sie so kritisieren, hat immerhin Leute wie Adenauer, Brandt, Kohl, von Weizsäcker oder Schmidt und zuletzt Gerhard Schröder hervorgebracht. Auch alle anderen bisherigen Bundespräsidenten haben ihre Aufgabe sehr anständig erfüllt.
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In einer anderen Zeit.
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Aber die Vorgehensweise, die Sie kritisieren, gab es damals doch auch. Sind die Herren, die ich genannt habe, in Vorwahlen ermittelt worden? Haben die erst in der Partei mit einem anderen konkurrieren müssen?
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Ich frage ja nur, ob man Dinge vielleicht ändern kann.
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Man kann immer fragen. Aber so tun, als ob dieses Verfahren von vornherein versagt hat, ist falsch. Wenn es jetzt der
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