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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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wollen.
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    Und am Ende kann man im Fernsehen erleben, wie die Fraktionsdisziplin dazu führt, dass der Abgeordnete seine Stimme nur so und nicht anders abgeben darf...
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    Wollen wir jetzt im Einzelnen über Fraktionsdisziplin reden? Dann muss ich wieder konkret werden. Zunächst stört mich, dass in den Medien stets von Fraktions»zwang« geredet wird. Haben Sie schon mal die Geschäftsordnung einer Fraktion gelesen? Die von der SPD zum Beispiel?
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    Da steht nichts von Zwang drin, das ist richtig.
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    In der Geschäftsordnung ist zu lesen, dass jemand, der eine Meinung hat, die von der der Mehrheit abweicht, mit dem Vorsitzenden reden soll. In der Praxis ist das jedenfalls zu meiner Zeit immer wieder geschehen. Es gab kaum eine Abstimmung ohne Abweichler. Was habe ich mit denen geredet! Ich habe gesagt: »Lieber Freund, handelt es sich bei der Sache um etwas, was im Wahlprogramm in Aussicht gestellt und versprochen worden ist?« Hatte es nichts mit dem Wahlprogramm zu tun, entfiel dieses Argument. Dann fragte ich: »Kannst du dir eine Situation vorstellen, wo du daran interessiert bist, dass alle mit dir stimmen?« Im Übrigen: Gegen die Währungsunion haben fünfundzwanzig Sozialdemokraten gestimmt, gegen den Einheitsvertrag dreizehn Unionsabgeordnete. Da kann man doch nicht sagen, überall Zwang und Disziplin. Dass eine Regierungspartei überlegt, was es bedeutet, wenn eine Gesetzesvorlage dieser Regierung wegen abweichender Stimmabgaben ohne Mehrheit bleiben würde – das ist doch naheliegend.
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    Wenn wir das Gefühl hätten, die Parteien seien attraktiv genug, müssten wir nicht darüber reden. Meine Beobachtung ist, dass die Anziehungskraft der Parteien in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen abgenommen hat. Einmal, wie schon gesagt, weil der Markenkern für viele nicht mehr erkennbar war, für die Sozialdemokraten war
die soziale Gerechtigkeit verloren gegangen, und bei der CDU wurde gerade in der jüngsten Vergangenheit gegen einige der konservativen Grundpfeiler verstoßen. Bei der FDP war ein Markenkern vor der Bundestagswahl 2009 nur im Sinne einer Verengung auf die Steuersenkung noch zu erkennen, mittlerweile wissen deren Wähler auch nicht mehr, wofür die Liberalen in der Regierung sind. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt betrifft in der Tat die Möglichkeit, innerhalb der Parteien Einfluss nehmen zu können. Viele Parlamentarier beklagten sich über das Zustandekommen von Entscheidungen, darüber, dass die Chancen, sowohl im Parlament als auch in der Fraktion oder innerhalb der Parteigremien mit neuen Ideen nach vorne zu kommen, eingeschränkt sind. Wäre das nicht so, gäbe es einen Mitgliederüberschuss bei allen Parteien und nicht einen Rückgang.
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    Den Mitgliederüberschuss gibt es nicht, das räume ich ein, und das ist bedauerlich. Das hängt übrigens auch mit der demografischen Situation zusammen. Auch ist generell die Neigung gesunken, sich langfristig zu binden. Lieber engagiert man sich für oder gegen ein konkretes Projekt.
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    Ist die »Stuttgart 21«-Bewegung, die sich explizit außerhalb von Parteien manifestiert, nicht ein Hinweis dafür, dass es einen Erneuerungsbedarf gibt?
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    Ich will einmal versuchen, Ihre Kritikpunkte einzeln durchzugehen. Es stimmt, es gab Zeiten, in denen Parteien strahlender wirkten und mehr Anziehungskraft hatten, das ist nicht zu bestreiten. Aber solche Schwankungen sind ebenso in anderen Lebensbereichen nicht völlig auszuschließen. Sie sagten auch, die Leute glauben, sie könnten in der Partei nicht mitreden. Wie lang ist Manuela Schwesig Parteimitglied? Seit 2003. In acht Jahren schafft man es durch tüchtige Arbeit und durch entschlossenes Engagement, erst Ministerin und dann stellvertretende Parteivorsitzende zu werden. Auch Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin in Düsseldorf, ist noch nicht sehr lange Parteimitglied.
    Dann haben Sie behauptet, es würde alles in Hinterzimmern – im journalistischen Sprachgebrauch müsste jetzt noch von den »verschlossenen Türen« geredet werden – ausgemacht. Das ist in dieser allgemeinen Form ebenfalls nicht richtig. Entscheiden
tun in wichtigen Fragen bei uns auf den verschiedenen Ebenen noch immer die Parteitage.
    Und wenn Sie auf Schröder anspielen und die Markenkernverletzung – ich habe ja angedeutet, dass die Kommunikation in der

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