Wie wollen wir leben
Mehrheitsentscheidungen installiert und auch ausgeweitet worden. Helmut Schmidt würde mir zustimmen, dass man eine weitere Reduzierung des Einstimmigkeitsprinzips bei siebenundzwanzig Mitgliedsstaaten nicht mit einem Faustschlag auf den Tisch bewirken kann, sondern dass es dafür Geduld und Zähigkeit braucht.
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Haben wir denn die Zeit dafür?
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In manchen Dingen ist die Zeit knapper geworden. Aber was ist die Alternative? Zu sagen, wir haben keine Zeit mehr, und deshalb lassen wir es?
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Wie wäre es mit einer Revolution von oben?
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Wie soll die denn vor sich gehen? Gehen die Regierenden dann mit Gewehren auf die StraÃe?
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Die Regierungen der europäischen Länder könnten sich darüber verständigen, den nationalen Parlamenten Zuständigkeiten wegzunehmen, ihre alleinige Hoheit über die Arbeits- und Sozialpolitik, über die Wirtschafts- und AuÃenpolitik, vielleicht auch noch die über die Sicherheitspolitik.
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Und der damit verbundene Bruch unserer Verfassung wird dabei einfach hingenommen?
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Das nicht. Aber man müsste sich daranmachen, sie zu ändern.
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Dem schlieÃe ich mich im Ergebnis an.
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Und wie wollen Sie etwas verändern?
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Die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments muss weiter verstärkt werden. Aber das ist ein mühsamer Prozess, weil das die Zustimmung von siebenundzwanzig Ländern braucht. Und nach wie vor gibt es die Möglichkeit, dass ein engerer Kreis von Ländern manches etwas schneller in Gang setzen kann. Aber Sie können den nationalen Parlamenten nicht einfach sagen: »So, jetzt wird Revolution gemacht, ihr habt auf den und den Feldern nichts mehr zu entscheiden.« Sie sind ja schon mit den neuen Vereinbarungen in der Haushaltspolitik ein Stück weit unter stärkerer Aufsicht. Und die Parlamente selbst müssen zu dem Punkt kommen, dass sie den einen oder anderen Bereich abgeben müssen, weil es einfach nicht anders geht.
So, und jetzt sage ich etwas sehr Kühnes: 1867/1871 mussten die vielen bis dahin selbstständigen deutschen Einzelstaaten lernen, Zuständigkeiten an das Reich abzugeben. Das geschah auch. Was den Bayern verdammt schwergefallen ist, obwohl sie einige Sonderrechte behielten. Sie merken: In der Ferne sehe ich eine Europäische Union, die keinen Staatenverbund mehr darstellt, sondern ein Bundesstaat geworden ist. Sie hat sich zu einem föderalen System mit einer Zentralebene entwickelt, die auch wirklich mit einer Stimme spricht. Die heutigen Mitgliedsländer sind dann föderale Einheiten, so wie wir das hier in der Bundesrepublik praktizieren. Eine solche Tendenz wird durch den Druck von auÃen sogar eher noch zunehmen. Und die Menschen werden stärker als heute erkennen, dass sie ihre Erwartungen und Vorstellungen, wie sie leben wollen, nicht mehr im Wettstreit einer Vielzahl kleiner Nationen, sondern nur noch in einem gröÃeren Verbund verwirklichen können. Ich weiÃ, dass das Bundesverfassungsgericht kürzlich in einem Urteil dafür eine sehr hohe Schranke aufgestellt hat. Aber sie wird eines Tages überwunden werden müssen.
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Der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Hankel, der zugegebenermaÃen von Anfang an ein Euroskeptiker war, sagt, die gemeinsame Währung hat Europa nicht zusammengebracht, sondern auseinanderdividiert, und zwar deshalb, weil mit ihr ein ökonomisches Kriterium verwendet wurde, das über alle Länder gestülpt wurde. Erst dadurch, so argumentierte er weiter, wurden die Unterschiede der einzelnen Nationen sichtbar, Unterschiede, die man bisher als Charaktereigenschaften der einzelnen Völker hingenommen hatte. Doch dadurch, dass auf einmal ökonomisch gemessen wird, werden diese Differenzen viel bedeutsamer und schüren Zwietracht unter den Europäern, und zwar mehr als je zuvor.
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Dieses Urteil muss man ernsthaft betrachten, aber ich teile es nicht. Wäre denn das Zusammengehörigkeitsgefühl stärker, wenn es weiterhin siebenundzwanzig getrennte Staaten und wieder siebzehn getrennte Währungen gäbe? Wäre der wirtschaftliche Unterschied in diesem Fall geringer? Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Ein Mangel ist existent, und der wird inzwischen auch allgemein anerkannt: Wir haben eine gemeinsame Währung, aber noch keine ausreichend gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik. Aber in dieser Richtung wird nun nachgearbeitet. Manchmal würde
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