Wie wollen wir leben
die Pille und andere Verhütungsmittel verzichten würde, dann würde sich die Zahl der Kinder deutlich vermehren.
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Diese Enzyklika wird doch auch Pillenenzyklika genannt, oder?
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Ja, das ist richtig. Aber die deutschen Bischöfe haben in ihrer Königsteiner Erklärung von 1968 â sie erging kurz nach Veröffentlichung der Enzyklika »Humanae vitae« â den Gläubigen zugebilligt, im einzelnen Fall nach ihrem Gewissen zu entscheiden. Und dem stimme ich zu.
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Grundsätzlich könnte man sich aber darauf einigen, dass es Wertfundamente gibt, die ein Familienbild stärker befördern als andere?
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Darauf kann man sich einigen. Für mich ist die Familie nach wie vor die soziale Einheit, die für die Entwicklung eines Menschen, für seine Sozialisation die gröÃte Bedeutung hat. Und diese Kernaufgabe einschlieÃlich der Erziehung zur Eigenverantwortung sollte auch bei der Familie bleiben.
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Nur am Rande gefragt: Für wie wichtig halten Sie die Vorbildfunktion einer Ministerin wie Ursula von der Leyen, die sieben Kinder hat, oder einer Frau wie Kristina Schröder, der ersten schwangeren Ministerin in einem Bundeskabinett, die inzwischen ihr Kind bekommen hat?
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Das finde ich gut. Sie geben Beispiele.
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Haben wir uns davon verabschiedet, diesen Frauen vorzuwerfen, eine Rabenmutter zu sein?
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Jede Mutter â nicht nur Mütter, die Politikerinnen sind â sollte individuell entscheiden dürfen, wie sie Beruf und Kind vereinbart. Aber dass man sogar in hohen politischen Ãmtern eine Mutterschaft nicht mehr ausschlieÃen muss, das ist eine positive Entwicklung. Mir hat auch gefallen, wie Andrea Nahles und ihr Ehemann dies mit ihrem Kind geregelt haben â der Mann ging da in Elternzeit.
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Es gibt aber Leute, die sagen: Na gut, die gibt das Kind dann nach der Elternzeit des Mannes an die GroÃeltern ab, die auf dem Land in der Nähe von Bonn leben, und sie selbst arbeitet und wohnt in der Woche in Berlin. Andrea Nahles hat selbst berichtet, wie viel böse Briefe sie bekommen hat, mit dem Vorwurf, sie ordne der Karriere das Wohl der Familie unter.
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Sollte man lieber keine Kinder bekommen, weil man nur am Wochenende daheim sein kann? Man muss allerdings das Wochenende dann entsprechend einrichten. Wie ist es bei Ihnen?
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Für meinen Mann und mich gibt es kein klassisches »Wochenende«. Wir sind Freiberufler und arbeiten dann, wenn es etwas zu tun gibt. Dafür nehmen wir uns dann zum Beispiel im Sommer mehr freie Zeit, als andere Familien haben.
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Dann lassen wir das so stehen.
Ich möchte noch einmal auf die Kluft zu sprechen kommen. Die gibt es natürlich nicht nur innerhalb unseres eigenen Volkes. Ein gewaltiges Auseinanderdriften gibt es ebenfalls auf der globalen Ebene. Manchmal staune ich, dass Menschen so viel klagen und jammern können. Ich sage dann: »Ist euch eigentlich klar, dass an die zwei Milliarden Menschen von rund einem Euro am Tag leben? Stellt euch mal bitte vor, wie es wäre, wenn ihr das selbst müsstet!« Diese Kluft zwischen armen und reichen Völkern ist eine zentrale Herausforderung. Sie kann nicht nur durch das Geld geschlossen werden, das man an die jeweiligen Regierungen transferiert. Da weià man oft nicht, ob die Mittel auch dort ankommen, wo sie hingehören. Viel wichtiger ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Da gibt es die uralte Erfahrung: Es ist etwas Gutes, jemandem einen Fisch zu schenken, aber jemandem eine Angel zu schenken â das ist viel besser und kann sein Leben verändern. In diese Richtung muss die Hilfe zur Selbsthilfe gehen. Dem früheren Bundespräsidenten Köhler habe ich immer hoch angerechnet, dass er wieder und wieder auf Afrika hingewiesen hat. Letzten Endes gibt es da auch ein Eigeninteresse: Denn wenn die SchlieÃung der Kluft nicht gelingt, wird sich die Zahl derer, die nach Europa streben, vervielfachen. Das wäre eine ganz normale menschliche Reaktion. Also: bitte diese globale Kluft ebenso im Auge behalten.
Natürlich gibt es gute Beispiele dafür, dass sich betroffene Länder selbst bemühen, die Kluft zu verringern. China hat inzwischen erkannt, dass sich durch diese rasante Entwicklung Arm und Reich im eigenen Land voneinander entfernen, also eine innere Kluft entsteht. Nicht anders Indien oder Brasilien. Das Ganze bewirkt aber neue Herausforderungen: Denn bei steigendem Wohlstand wollen
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