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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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Arbeitsverträge besser regeln kann. Einzelheiten kann ich nicht nennen, weil mir die Unterlagen dazu fehlen. In letzter Zeit steigt auch wieder die Zahl der Arbeitsplätze, und es ist da und dort ein ganz neuer Zustand eingetreten: Man findet auf einmal nicht mehr genügend Arbeitskräfte. Hier geht die Spirale nach oben. Einbeziehen muss man bei all den Überlegungen ebenfalls, dass sich die gesamte Arbeitswelt verändert hat. Die Produktion benötigt viel weniger Arbeitskräfte als früher, und die Zahl der Arbeitskräfte, die im Dienstleistungsbereich gebraucht werden, wächst ständig. Das hat auch mit der technischen Entwicklung zu tun.
    Nicht zu vergessen: Europaweit neidete man uns die von Olaf Scholz bewirkte Kurzarbeiterregelung und die flexiblen Arbeitszeitmodelle. Denn sie hatten zur Folge, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt werden konnte, ohne dass die Menschen massenhaft in die Arbeitslosigkeit fielen. Während in anderen Ländern die Zahl der Arbeitsplätze sank und die der Arbeitslosen zunahm, haben wir inzwischen einen Stand erreicht, den wir das letzte Mal 1991 hatten. Natürlich hat die Kaufkraft nicht in dem Maße zugenommen. Deswegen stellten die Gewerkschaften ja die hohen Lohnforderungen, um den tarifgebundenen Arbeitern – sie sind nach wie vor die Mehrheit – mehr zukommen zu lassen. Von einer Abwärtsspirale möchte ich deshalb gegenwärtig nicht reden. Mein Hauptproblem ist unverändert die soziale Kluft.

    Â 
    Heiner Geißler oder Norbert Blüm werden nicht müde zu sagen, dass dieser Erfolg mit einer Zunahme an unterbezahlten Arbeitsplätzen erkauft ist.
    Â 
    Ja, den Zusammenhang gibt es. Und deshalb ist die Forderung nach ausreichenden Mindestlöhnen so wichtig. Wäre es besser gewesen, die Arbeitslosenzahlen wären gleich geblieben?
    Â 
    Ganz und gar nicht. Sie müssen sich nur mit dem Argument auseinandersetzen, dass die Lebenszufriedenheit in dem Maße abnimmt, wie die Arbeitsverhältnisse prekär werden.
    Â 
    Das ist sicher richtig. Und wir müssen uns darum kümmern. Aber wie sieht es da zahlenmäßig aus? Kann man wirklich von einem generellen Abwärtstrend sprechen? Ich glaube das gegenwärtig nicht.
    Â 
    Haben wir in den kommenden zehn Jahren eher den Mangel an Fachund Arbeitskräften zu verarbeiten oder die hohe Arbeitslosigkeit?
    Â 
    Die Senkung der Arbeitslosigkeit wird ein Dauerthema bleiben. Jedenfalls wird aber der Bedarf an Fachkräften weiter steigen, weil sich auch in Zukunft Produktionsweisen und Dienstleistungsformen weiter kontinuierlich ändern werden. Es werden höhere Ansprüche gestellt, und da ist die Bildung, gerade die berufliche Bildung, gefordert. Immerhin geschieht doch auch da einiges. Es gibt immer mehr Abiturienten. Anfang der achtziger Jahre lag die Abiturientenquote in Deutschland noch bei unter 22 Prozent eines Altersjahrgangs. Heute ist sie bei 42 Prozent – das ist ein beachtlicher Anstieg in den letzten dreißig Jahren. Ich bin eben ein merkwürdiger Mensch, ich freue mich über gute Veränderungen und erwähne sie auch.
    Â 
    Das sollten Sie nicht verlieren.
    Â 
    Ich komme deshalb vielleicht sogar in die Verlegenheit, dass ich gewisse Aktivitäten der gegenwärtigen Regierung lobe.
    Â 
    Warum gibt es trotzdem in Deutschland einen so großen Sockel an Langzeitarbeitslosen? 2010 waren es in Deutschland 47,4 Prozent – bezogen auf den Anteil von allen Arbeitslosen, die über zwölf Monate
ohne einen Job sind – und damit 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr. In Dänemark waren es 2010 19,1 Prozent, in Schweden 17,4 Prozent. Bei uns haben sich die Zahlen nicht einmal jetzt, in Zeiten des sogenannten Job-Booms geändert. Woher kommt das?
    Â 
    Jede dieser Zahlen ist zu hoch. Da haben Sie recht: Um diese Menschen muss man sich kümmern. Das scheint mir aber nicht primär eine Frage des Geldes zu sein, sondern eine, die die Arbeitsagenturen und ihre örtlichen Einrichtungen betreffen. Die dort arbeitenden Menschen haben nicht die Kraft und nicht genügend Zeit, sich ausreichend um jeden einzelnen Fall intensiv zu kümmern, das heißt, mit den Betroffenen zu reden und mit ihnen gemeinsam nach Wegen zu suchen. Wenn jemand vier, fünf Jahre arbeitslos ist, hat das eine persönliche Veränderung zur Folge, die aufgefangen werden muss.
    Es existieren einige beispielhafte Modelle, die

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