Wie wollen wir leben
die Menschen in China, Indien oder Brasilien so leben wie wir, mit einem Auto und einem hohen Stromverbrauch. Und das belastet wiederum die Umwelt. Dies darf jedoch keine Begründung dafür sein, dass wir Europäer, wir Deutschen sagen: »Jetzt bleibt mal lieber auf eurem früheren Niveau!« Nein! Ein weltweiter Ausgleich und eine weltweite Senkung der Umweltbelastung sind nötig.
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Warum soll man in die Ferne schweifen, wenn man bei Rumänien anfangen könnte?
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Rumänien hat insofern einen groÃen Vorteil, als das Land der Europäischen Union angehört und aus deren Mitteln unterstützt wird. Wichtig sind jetzt Kontrollen, um beispielsweise den Rechtsstaat zu etablieren und Korruption zu verhindern. Warum drängen denn beispielsweise Montenegro, Kroatien oder Mazedonien so in die EU? Weil sie sehen, dass sie dort besser aufgehoben sind. Sie strengen sich auch an, den EU-Standards gerecht zu werden.
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Ich sehe seit ein paar Jahren Rumänen, die im Ausland mit groÃen Autos fahren, doch kommt man nach Rumänien, sind die Pferdewagen noch zahlreich. Es wird selbst im eigenen Land noch lange dauern, bis die Verhältnisse einigermaÃen angeglichen sind.
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Das ist richtig. Aber die Europäische Union kann da durchaus eingreifen.
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Ein Deutscher könnte sich jetzt die Frage stellen: »Warum soll ich von meinem Wohlstand etwas abgeben? Damit die Rumänen mehr bekommen? « Da stöÃt man vermutlich wieder an die Grenzen der Nächstenliebe.
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Es ist eine Verpflichtung, anderen Menschen, die in Not sind und denen es schlechter geht, zu helfen. Dabei ist der Nächste nicht nur der in der unmittelbaren Nähe. Es gibt, wie im Evangelium nachzulesen ist, auch den Nächsten in der Ferne. Neben diesem Argument gibt es aber noch ein zweites: Es ist doch ebenso unser Vorteil, wenn das Land Rumänien für uns ein wirtschaftlicher Partner werden kann, wenn Rumänien in immer stärkerem MaÃe deutsche Exporte abnimmt. Der finanzielle Transfer ist keine EinbahnstraÃe.
Ãber Lebenszufriedenheit, Menschenpflichten und Wahlhilfe mit dem Schlagstock
Seit dem 1. Mai 2011 ist es jedem EU-Bürger möglich, in Deutschland zu arbeiten, davon ausgenommen sind bislang nur die Rumänen und die Bulgaren. Nicht alle hierzulande begrüÃen diese Entwicklung, haben keine von Nächstenliebe getriebenen Empfindungen, sondern Angst um die eigenen Arbeitsplätze und damit um den persönlichen Wohlstand. Was denken Sie: Wird auf dem Weg der europäischen Angleichung, von der Sie gesprochen haben, der Lebensstandard in Deutschland zwangsläufig absinken?
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Das muss nicht der Fall sein. Viele Menschen aus den osteuropäischen EU-Ländern konnten schon vor sieben Jahren nach England, Irland oder anderen EU-Ländern zuwandern â und man hat von keinem dieser Länder gehört, dass das dort zu besonderen Problemen geführt hätte. Ein Teil dieser Leute wird ja auch bei uns geradezu sehnsüchtig erwartet, für die Spargelernte oder die Obsternte zum Beispiel. Ich glaube, das ist ein zu bewältigendes Problem. Aber wenn wir es mit dem Ãbergang vom Bruttosozialprodukt zu mehr Lebensqualität ernst meinen, wenn wir die Kriterien wirklich ändern wollen, dann kann das durchaus zu einer Stagnation des materiellen Wachstums führen. Darauf muss man sich einstellen. Man kann den Menschen nicht vormachen, dass der materielle Aufzug dennoch immer weiter nach oben geht. Im Gegenteil: Er wird zumindest stehen bleiben.
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Wenn quantitatives Wachstum, wenn Wohlstandsvermehrung nicht mehr die wichtigste Bedeutung hat â was sollte dann an deren Stelle treten?
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Ich ersetze hier den Begriff »Bruttosozialprodukt« durch »Lebensqualität«. Dazu gibt es eine interessante Studie vom Institut für Demoskopie in Allensbach. Danach geben 76 Prozent der befragten Deutschen an, dass ihnen am wichtigsten eine intakte Familie
ist, dass sie die Möglichkeit haben, Freundschaften zu pflegen. Verbunden wurden damit Werte wie Geborgenheit, Solidarität und Verantwortung für den anderen. Danach folgten Angaben wie »nicht so viel Stress«, »mehr Spaë, ein »erfüllender Beruf«. Und eine spezielle Umfrage unter Berufstätigen â sie wurde 2011 von Emnid durchgeführt â ergab noch Erstaunlicheres: Nur 34 Prozent der Befragten sagten, ein höheres Einkommen sei
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