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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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ich sehr der Aufmerksamkeit empfehle. Da gibt es in München etwa den Verein »BISS e.V. – Bürger in sozialen Schwierigkeiten«, der jedes Jahr mit einer gewissen Zahl von Obdachlosen feste Arbeitsverträge abschließt, aufgrund derer sie die dann die gleichnamige Zeitung verkaufen und wieder den Weg zurück in »normale« Verhältnisse finden. So etwas sollte man sich anschauen. So sollte man helfen.
    Noch einmal zu dem vorherigen Punkt.
    Da gibt es das Problem der steigenden Anforderungen an Arbeitskräfte auf vielen Gebieten, sodass Langzeitarbeitslose mit jedem Jahr, in dem sie draußen stehen, weiter zurückbleiben. Man hilft ihnen nicht, wenn man sie am Schalter abfertigt, man muss sich mit ihnen immer wieder zusammensetzen und die Möglichkeiten zur Aktivierung und zur Fortbildung durchgehen. Sie vielleicht auch zu einem der Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen, begleiten. Und natürlich muss man gelegentlich sagen: »Du, hör mal, du hast gegenüber dem Gemeinwesen auch Pflichten. «
    Â 
    Darauf wollte ich hinaus. Warum müssen wir denn Spargelstecher aus Polen holen, wenn wir so viele Langzeitarbeitslose haben?

    Â 
    Der Grund ist der: Die Spargelanbauer wissen, wer zu ihnen kommt, sie wissen, dass diese Leute aus Polen oder Lettland erfahren sind und ihren Job gut machen. Sie wollen nicht immer neue Kräfte anlernen.
    Â 
    Andersherum gefragt: Gibt es in Deutschland eine Anspruchsmentalität? Und wenn ja, wie groß schätzen Sie die Zahl derer, die gemeinhin als – ich benutze einmal ein Wort, das ich in der Bild -Zeitung gelesen habe – Sozialschmarotzer bezeichnet werden?
    Â 
    Selbstverständlich gibt es Leute, die nicht gern arbeiten, das hat es immer gegeben. Doch man sollte sich anstrengen, auch diese Menschen zur Arbeit zu motivieren – notfalls muss man aber mit den vorgesehenen gesetzlichen Mitteln eingreifen. Sozialschmarotzer als ein generelles Problem zu betrachten, als Menschen, die schon ihrer Zahl wegen die sozialen Systeme gefährden, da schüttle ich den Kopf. Das tun sie nicht. Es ist übel, wenn man einen Menschen wie den »Florida-Rolf« in einer Weise medial präsentiert, als ob er für alle ALG 2-Empfänger typisch wäre.
    Â 
    Es ist gelegentlich so dargestellt worden, als ob das Wertempfinden in der sogenannten Unterschicht – ich versuche es jetzt mal ganz vorsichtig zu formulieren, denn ich weiß, dass Sie sonst sofort wieder hochgehen …
    Â 
    Ich sitze doch noch.
    Â 
    â€¦ also, als ob das Wertempfinden in der sogenannten Unterschicht einer gewissen Erosion ausgesetzt war, auch aufgrund der Tatsache, dass es leichter geworden ist, ohne Arbeit einen gewissen Lebensstandard zu halten. Ist das ein Problem, das in der letzten Zeit gewachsen ist?
    Â 
    Dieses Problem gibt es, das ist nicht zu bestreiten. Ich kann es aber nicht quantifizieren, und ich bitte vor allem zu sehen, dass es genügend Menschen in dieser Situation gibt, die es als demütigend empfinden, dass sie keine Arbeit haben und dass sie so leben müssen. Auf die verweise ich auch diejenigen, die meinen, sie können es sich da in der sozialen Hängematte bequem machen. Und wie gesagt, es gibt Gesetze gegen diejenigen, die sich verweigern, und die muss man eben anwenden.

    Doch man sollte sich stets bewusst sein: Man kann an Werten verzweifeln, wenn man selbst in demütigenden Umständen leben muss. Glücklicherweise haben wir für diesen Lebensbereich bürgerschaftliche Hilfsinitiativen. Die »Tafeln« zum Beispiel, aber auch andere Einrichtungen, in denen sich Menschen ehrenamtlich engagieren. Ich kann jeden nur dazu ermutigen, sich einer solchen Sache anzuschließen, allein schon deswegen, weil man selbst ein gutes Gefühl dabei hat. Es geht nicht darum, sich in die Brust zu werfen, aber man ist mit sich eher im Reinen – und das ist ein Vorteil, wenn auch kein materieller, aber einer, der fürs eigene Leben eine Rolle spielt.
    Â 
    Sie halten das Problem des Werteverfalls jedenfalls nicht für allzu groß, für Sie ist es eher eine gesellschaftliche Verwerfung, die wir einfach konstatieren müssen?
    Â 
    Wie gesagt, das Problem ist nicht wirklich neu, das gab es schon im 19. Jahrhundert. Und wenn die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgeht und auch die Langzeitarbeitslosen davon profitieren, dann wird das in dem Bereich spürbar werden, über den wir gerade

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